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Der Telangana-Aufstand
im indischen Feudalstaat Hyderabad
1946 bis 1951


I.Vorgeschichte     I.Phase I     II.Phase II     III.distress gold     IV.Zeittabelle     V.Namen     VI. Anhang

Ohne das die Welt Kenntnis davon erhielt fand der größte Bauernaufstand der modernen indischen Geschichte statt. Die Berichte der britischen Kolonialmacht erwähnten ihn kaum. Das erklärt auch die verbreitete Historikerposition, in Indien habe es keine Bauernaufstände gegeben. Auch um die vier Millionen Inder, die in den Jahren 1943 bis 1946 Hungersnöten zum Opfer fielen, machte man kein Aufheben. (L1) Die Welt war mit Weltkrieg beschäftigt. Niemand ahnte am 4. Juli 1946, das der spontane Widerstand einer kleinen Gruppe aufmüpfiger Bauern gegen bezahlte Schläger eines Provinzadligen zum Bauernkrieg ausartete. Der dehnte sich über ein Gebiet von 40 000 km2 aus. Drei Millionen Bauern beseitigten ein völlig überaltertes feudales Fürstensystem. Fast ausschließlich von Analphabeten geführt konnten jene tapferen Rebellen ihre Ansichten für die späteren Zeiten nicht aufschreiben. Den Aufständischen blieb dafür auch zu wenig Zeit obwohl die Kämpfe über fünf Jahre andauerten.

Hyderabad Staat in Britisch Indien


Vorgeschichte
Der Feudalstaat Hyderabad stellte eine bewundernswert merkwürdige Konstruktion englischer Kolonialpolitik dar. Etwa 16 Millionen Einwohner bildeten ein Land der Größe Englands mit Schottland eingerechnet. Innenpolitisch gestattete die Kolonialmacht den Feudalherren alle Freiheiten der Welt, nur eine eigene Außenpolitik wurde ihnen verwehrt. Es galt die unausgesprochene Vorschrift des Paramountcy. Dahinter verbarg sich eine scheinbar lässige Vorherrschaft. Die Geldherren in London zeigten gern ihre Gleichgültigkeit darüber, wie indische Adlige agierten. Hauptsache britische Interessen blieben gewahrt. Schien es für England wichtig, Nahrungsmittel oder Gold zu erhalten, hatten die Inder keine Schwierigkeiten beim Herausgeben zu machen. Ansonsten blieb den einheimischen Herrschern alles erlaubt. Beispielsweise stiftete der Oberfürst des feudalen Hyderabad, Nizam genannt, im Ersten Weltkrieg der europäischen Insel England 60 Millionen Rupien. Als Dank für das Auspressen seiner eigenen Bevölkerung für ausländische Interessen bekam er einen höheren Fürstentitel anerkannt. Diese simplen Mechanismen funktionierten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr.

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts kamen neue Spannungen im Fürstenstaat auf. Bis zu drei Viertel der Bevölkerung zählten zur religiösen Glaubensrichtung der Hindus. Sie dominierten das Leben auf dem Land. Politisch blieb zu jener Zeit der Hinduismus bedeutungslos. Ideen zu einer Modernisierung der indischen Marktwirtschaft kamen aus den Städten. Hier war die muslimische Bevölkerung stark vertreten. So befand sich beispielsweise der 1929 gegründete Industriel Trust Fund (ITF) ausschließlich in den Händen muslimischer Mitglieder. Auch etwa 75 % der Staats-Ämter bekleideten Muslime. Viele neue junge Beamte, an der bereits seit 1875 bestehenden Aligarth Muslim University hervorragend ausgebildet, brachten jetzt militantere Ideen ein. Sie versuchten auch als Amtssprache Hyderabads die aus der Sultanzeit stammende ⇒ Urdu-Sprache durchzusetzen. Die Hindus dagegen beschränkten sich auf den Agrarhandel. Dafür klaffte die soziale Schere zwischen arm und reich bei den Hindus weniger auseinander als in der muslimischen Bevölkerung.

Die Gründung eines kleinen intellektuellen Interessenverbandes im Jahr 1930 schien für die Bauernsache selbst völlig unbedeutend. Dem Andhra Mahasabha (AMS) ging es um Ausstattungen von Bibliotheken, um Leseräume und Volkskunst und um die Sorge des Bestandes der Sprache ⇒ Telugu. Seine Anhänger, aus der ländlichen Mittelschicht stammend, entwickelten mehr und mehr neue Ansprüche. Forderungen nach Reduzierung der Landsteuern wurden laut. Kinderehen sollten nicht mehr unterstützt werden. Zukunftsweisend war die Idee zur Abschaffung des Kastenstatus der Unberührbaren. Der individuelle Mut, der von jedem einzelnen Mitglied dafür aufgebracht werden mußte, ist für den Europäer nicht nachvollziehbar. Immerhin beteten die Mitglieder des AMS aber noch für den Nizam und feierten seine Jubiläen. 1941 geschah Unerhörtes. Enthusiastisch verabschiedete man eine Resolution, die neben den o.g. Forderungen auch die nach der Beendigung der seit den 1930er Jahren ausufernden Pächtervertreibungen enthielt. Die gleichzeitige Senkung der Mitgliedsbeiträge machte aus der Kulturorganisation AMS eine bäuerliche Massenorganisation. Die Interessen reicher Bauern, armer Pächter und die der Landarbeiter sind mitnichten identisch. Mitgliedergewinnung, Kulturarbeit und das Lernen von Lesen und Schreiben stärkten jedoch die gemeinsame Motivation. Später kam das Training in Selbstverteidigungskursen hinzu. Im Laufe der Jahre organisierten jene Mitglieder des AMS, die sich als Anhänger der Kommunistischen Partei Indiens (CPI) bekannten, eine einheitlichere Führung. Das neue selbstbewußtere Auftreten der Aktivisten zeigte sich an den modernen Forderungen zur Abschaffung der Zwangsarbeit, die immer noch in zwei völlig absurden Formen existierte. Zum einen betraf es die Vetti, eine uralte Form der Zwangsarbeit. Mit Vetti bezeichnete sich ein Frondienst auf Grundlage des Kastensystems. Die Verpflichtungen zu den festgelegten Diensten galten von Geburt an und belasteten die Kasten der sogenannten Unberührbaren, in der Mitte des 20. Jahrhunderts eigentlich längst ein Kuriosum. Die Vetti wurde im Fürstenstaat Hyderabad von den Behörden gestützt bis der Aufstand sie einfach hinweg fegte. [F 1] Ein ähnlich inhumanes Überbleibsel feudaler Historie stellte das Bhagela-System dar. Der Bhagela (Schuldarbeiter) hatte ausschließlich seine Arbeitskraft (also nichts anderes mehr) zur Verfügung, um seinem Gläubiger eine Sicherheit zu bieten. Konnte er etwas nicht zurück zahlen, war er verpflichtet, so lange zu arbeiten, bis der Gläubiger erklärte, die Schuld sei jetzt abgeleistet. Die Schuld des Bhagela wurde vererbt und betraf nicht selten mehrere Generationen. [F 2] Die örtlichen Behörden trugen mit ihren Verwaltungsmechanismen wesentlich zur Erhaltung dieser unwürdigen Zustände bei.

Eine Spezies jener Subjekte, die sich der von den Briten großzügig gestatteten Bereicherungstaktik bedienten, nannte sich Deshmukhs. Das waren Adlige, die auf ihrem Großgrundbesitz lebten, sich nicht in die Städte verzogen und zumeist der Religion der Hindus angehörten. Anfang des 19. Jahrhunderts hatte sich diese Schicht Rechte ersteigert Pachtgebühren einzuziehen. Die Deshmukhs stellten eine Mischung aus Staatsbürokraten und Feudalherren dar. Als Staatspacht-Eintreiber hatten sie Zugriff auf die Grundbücher, der ihnen einen Landraub auf administrative Weise gestattete. Die Bauern, des Lesens unkundig, ahnten nicht, welche Betrugsfallen ihnen damit gestellt werden konnten. Es dauerte auch nicht lange, da besaßen die aggressivsten Deshmukhs mehr Boden als sie selbst mit härtester Sklavenarbeit bestellen lassen konnten. So ließen sie mitunter trotz Hungersnot weite Felder brach liegen.

Begüterte Hindus spezialisierten sich auf den Agrarhandel und ließen die Städte außen vor. Zugleich widmeten sie sich dem Geldverleih an die Bauern. Die Bezahlung der Pacht wurde in Bargeld vorgeschrieben. Weil genau das Bare in den Kleinwirtschaften rar war, bekamen diese Deshmukhs entscheidende Mittel in die Hand, den einfachen Warenaustausch auf dem Land durch Monetarismus abzulösen. Dabei gerieten besonders die ärmeren Bauern in die Schuldknechtschaft. Die Deshmukhs waren die verhassten Herren der Dörfer Hyderabads.

Telangana-Aufstand


Phase 1 des Aufstandes
(Juni 1946 bis September 1948)

Am 4. Juli 1946 bewegte eine Frage das kleine Dorf Kadavendi. Darf die Wäscherin Ailamma die Ernte von ihrem Feld einbringen? Der reiche Landbesitzer hielt eine Ablehnung für angebracht und sandte ihr seine gedungenen Prügelhelden. Er rechnete nicht mit dem Widerstandswillen des gesamten Ortes. Die Bauern jagten die Leute des Deshmukhs von Ailammas Feld und brachten der Frau die Früchte auf den Hof. Dieser Sieg eines Dorfes gegen den Deshmukh klang noch lange in Liedern der Gegend nach. Aber die Bauern feierten ihren Erfolg zu früh. Der Deshmukh ließ in die Menge schießen. Dabei kam auch der Dorfälteste zu Tode. Das Maß war voll, der Volkszorn brandete auf. Statt zu fliehen setzten die Dörfler das Herrenhaus in Brand.
So beginnen nun einmal Bauernkriege und so begann auch der Telangana-Aufstand. Der Juli war noch nicht zu Ende, da revoltierten schon über 300 Dörfer. Im Distrikt Nalgonda zuerst, dann in seinen Nachbarbezirken.

Rasend schnell verbreiteten sich die Nachrichten über die erfolgreiche Aktion eines Dorfes gegen einen Deshmukh. Ende des Sommers 1946 revoltierten bereits über 400 Dörfer. Nachbarorte unterstützten sich gegenseitig bei der Durchsetzung ihrer Forderungen. Auf Dorfversammlungen verkündete man die gemeinsam getragenen Beschlüsse. So wurde die Zwangsarbeit Vetti verweigert und Bhagela-Fron abgelehnt. Ernten für die Großgrundbesitzer brachte man nicht von den Feldern. Steuern und Abgaben vermochten die Behörden nicht weiter einzutreiben. Die Herren wagten nicht mehr, den explodierenden Volkszorn weiter herauszufordern. Noch waren die Aktionen nicht organisiert, noch bestimmte Spontanität die Ausbreitung der Revolten. Erstmalig beteiligten sich Frauen in den Dörfern an den Protesten. Die Forderungen nach Abschaffung der feudalen Zwangsarbeiten übersprangen Kastengrenzen. Man begann die Aufteilung und Kollektivierung des Bodens zu diskutieren. Zentren der Revolten lagen in Warangal, Karimnagar, Khammam und Nalgonda.

Eine der ersten Gegenmaßnahmen der Fürstenregierung zeigte sich Dezember 1946 im Verbot der CPI und bewirkte die brutalen Verhaftungen Hunderter Anhänger. Sie wurden als Organisatoren dieser ländlichen Proteste diffamiert, was sie zu jenem Zeitpunkt nicht sein konnten. Erst der Verfolgungsdruck und die Flucht vieler ihrer Mitglieder veranlasste die CPI und den AMS sich ab Anfang 1947 neu zu formieren und sich diesem Kampf auf dem Lande entschiedener zu widmen.
Sie organisierten großflächige Spendensammlungen in ganz Indien zur Unterstützung der aufständischen Bauern in Hyderabad. Jene hatten diese Solidarität bitter nötig. Die staatliche Macht des Fürstentums lag defakto in den Händen einer lange empor gezüchteten muslimischen Bürokratie. Sie war das Ergebnis des alten → Dschagirsystems, das dem Feudalfürsten erlaubte, selbstherrlich Lehen zu verteilen. Die Staats-Funktionäre des Nizam aktivierten kurzfristig 30 000 junge Männer in einer Art Privatpolizei, der später berüchtigten ⇒ Razakar. [F 3] Diese muslimischen Sturmabteilungen wuchsen schließlich auf etwa 100 000 Bewaffnete an. Deren vordringliche Aufgabe bestand darin, die Großgrundbesitzer in den Aufstandsgebieten zu schützen, solange sich Polizei und Militär als wenig einsatzbereit gegen die Bauern erwiesen. Jedoch hatte der Staat selbst längst auch die Kontrolle über jene paramilitärischen Einheiten verloren. Die Razakar überfielen heimtückisch die Dörfer der Aufständischen, plünderten sie aus und brannten sie anschließend nieder. Verdächtige und tatsächliche Aktivisten wurden auf Massenerschießungen hingerichtet, die Frauen vergewaltigt. Es gab öffentliche Verbrennungen und Begräbnisse von lebendigen Menschen. Der Bauernkrieg dehnte sich über ein riesiges Gebiet aus und nicht nur die Telangana-Region blieb davon betroffen.

Als ab 1947 die fürstlichen Verwaltungsstrukturen nicht mehr durchgängig funktionierten, errichteten sich die Dörfler, auf Basis ihrer lokalen Gegebenheiten eigene Verwaltungen. Das organisierten Dorfälteste und militärische Anführer der Aufständischen gemeinsam. Überall entstanden Räte, die sich alltäglichen Aufgaben widmeten, so dem neuen Schulunterricht der Kinder wie der Pflege der Bewässerungsanlagen, den Eheschließungen ohne Priester und den Klärungen gerichtlicher Streitigkeiten. Man baute unter Anleitung dringend notwendige hygienische Latrinen und begann Schutzimpfungen durchzuführen. In etwa dreitausend Dörfern verteilten diese Räte Boden (über 400 000 ha) und die Viehbestände der Großgrundbesitzer an die Bauern. Die Maßnahmen erfolgten unter Anwesenheit der gesamten Bevölkerung der jeweiligen Ortschaften.

Als überlebenswichtig erwies sich das Aufstellen von Freiwilligengruppen, die das Dorf gegen Überfälle der Razakar verteidigen sollten. Die Führung übernahmen meist die Mitglieder der CPI. Ende August 1948 zählte man etwa Zehntausend Bauern-Kämpfer, die einen Schwur leisteten.
Waren die ersten spontanen Aktionen noch Ausdruck des Volkszorns, so zeigten die anschließenden Kämpfe, wie sich große Teile der Jugend den Formationen der CPI anschlossen. Das hohe Kulturniveau ihrer Anhänger bot attraktive Alternativen zu den überlebten feudalen Weltbildern an. Die Abschaffung der Kasten stand auf der Tagesordnung ebenso wie die Durchsetzung der Gleichberechtigung der Frauen. Die Beseitigung der Schuldarbeit und der Schuldsklaverei sowie die konsequente Bildungsarbeit gegen das Analphabetentum zeigten ihre überwältigende Anziehungskraft besonders für junge Menschen.
Starke Formationen stellten die Frauen der Aufstandsbewegung. Das Feudalsystem lastete, natürlich unter Gestattung der Kolonialmacht, besonders schwerwiegend als institutionalisierte Repression auf Frauen und Mädchen. Die Verschleierung der Frauen in der Öffentlichkeit bildete da nur eine von vielen Unterordnungspflichten. Frauen aus unteren Kasten und besonders Frauen der Dorfarmut behandelten die Großgrundbesitzer ganz selbstverständlich als Sklaven und Prostituierte. Viele Frauen blieben unverheiratet, weil arme Familien das sogenannte Brautgeld nicht aufzubringen vermochten.[F 4] Diese Feudalsitte stellte eine der Ursachen der Bhagela-Schuldknechtschaft dar, weil die jungen Männer sich für die Mitgift verschuldeten. Den Mädchen im Dorf verwehrte man jegliche Ausbildung. Es ist verständlich, das sich die Frauen stark von den örtlichen disziplinierten Gruppen der CPI angezogen fühlten, denn deren grundsätzliche Einstellung zur Gleichberechtigung von Mann und Frau wirkte vorbildlich. Ebenso die generelle Ablehnung von Alkohol und Drogen, von Glückspiel und familiärer Gewalttätigkeit. Die Beteiligung der Frauen am Aufstand bedeutete, das sie am konsequentesten mit den uralten Traditionen brachen und am meisten allen Gefahren durch die Razakar ausgesetzt blieben. Das betraf Hindu-Frauen und Musliminnen. Die offizielle Geschichtsschreibung würdigt die Tapferkeit und Hingabe dieser modernen Heldinnen heute völlig unzureichend. Über die Aufstands-Geschichte bestimmten andere. In der europäischen Literatur erscheinen die Vorgänge gar nicht.





Phase 2 des Aufstandes
(September 1948 bis Oktober 1951)

Die Feudalregierung Hyderabads geriet in eine Zangensituation. Die rückschrittlichen Kräfte der Staatsbürokratie stemmten sich gegen die Unabhängigkeitserklärung Indiens vom August 1947. Sie strebten die Gründung eines eigenen muslimischen Staates mitten auf dem indischen Subkontinent an. Die Razakar erhielten zusätzlich importierte Waffen. Dagegen wünschte sich die hinduistische Bevölkerung in ihrer Mehrheit den Anschluß an die sich bildende Indische Republik. Im Aufstandsgebiet zogen die Bauern neben ihren eigenen Fahnen die neue Nationalflagge Indiens auf. Weitere Kräfte schlossen sich den Aufständischen an.

Im Juni 1947 entschieden die Briten die Bildung eines muslimischen Pakistans und damit die Teilung der indischen Bevölkerung. [F 5] Im Fürstenstaat waltete zunehmende Rechtsunsicherheit. Der Nizam hielt sich jedoch für stark genug, den nationalindischen Kräften Paroli bieten zu können. Oft übertraten die ihm treuen Razakar die Landesgrenzen, um Hindus zu verfolgen, die vor den brutalen Gewalttaten der radikalen jungen Männer zu fliehen versuchten. Die neue indische Regierung, vom jungen National-Bürgertum getragen und ständig mit Verhandlungen der britischen Ex-Kolonialmacht belastet, sah besorgt auf die Aktionen der Fürstenadministration und gleichzeitig mißmutig auf den wachsenden Einfluß der Kommunisten unter den Aufständischen. Am 18. September 1948 ordnete sie den Einmarsch ihrer Truppen in Hyderabad an. Die neue indische Armee bestand vornehmlich aus der alten Kolonialarmee, die stets in Dienste der Briten im Inland und im Ausland eingesetzt wurde. Entsprechend hemmungslos verhielt sie sich gegenüber jeder Dorfbevölkerung.

Der Einmarsch indischer Truppen in Hyderabad bedeutete das Ende des Feudalregimes aber er leitete auch das Ende des Bauernaufstandes ein. Zuerst kapitulierte der Nizam und ließ sich noch Jahrzehnte lang in London hofieren.
Die Aufständischen in den Dörfern, die die Indische Armee anfangs als Befreier begrüßten, legten freiwillig ihre Waffen nieder und sahen mit Genugtuung, wie die Höflinge des Nizam und die Razakarbanditen nach Pakistan flohen. Womit sie nicht rechneten, war die schnelle Rückkehr der Großgrundbesitzer. Aufgelöst wurden die Dorfräte und der verteilte Boden beschlagnahmt. Die Städte zeigten während der ganzen Zeit wenig Solidarität mit den Aufständischen. Heroische Ausnahmen bildeten die Arbeiter in den Singareni-Kohleminen. [F 6]
Die Brutale Gewalt der Armee richtete sich auch gegen die muslimische Bevölkerung, selbst wenn sie, wie in den Städten, am Aufstand nicht beteiligt war. Als ihren Hauptgegner betrachteten die Militärs jedoch die aufständischen Bauern. General ⇒ Jayanto Nath Chaudhuri, Träger des Order of the British Empire, erklärte deutlich seine Absicht, binnen sechs Wochen alle Anführer zu liquidieren. Während der sogenannten ⇒ Operation Polo bewies die indische Armee ihre besondere Effektivität bei der Niederschlagung des verbleibenden Widerstandes auf etwa 2000 Dörfern. Über 50 000 Menschen gerieten in Gefangenschaft und wurden in speziellen Lagern konzentriert.
An dieser neuen Situation zerbrach die Einheit der Aufstandsbewegung. Die Bauern, völlig unvorbereitet auf diese Lage, wurden zu Opfern ihrer Illusionen über die Rolle der Nationalarmee. Ab 1949 versuchten wenig übrig gebliebene Aktivisten den Kampf aus den Wäldern fortzusetzen oder verbargen sich im städtischen Untergrund. Dieser wenig versprechende aber opferreiche Guerillakrieg brachte nicht die erhofften Erfolge. Die Siege aus der ersten Etappe des Aufstandes ließen sich nicht wiederholen. Daher erklärten im Oktober 1951 die Anführer die Einstellung des bewaffneten Widerstandes und wechselten zum parlamentarischen Kampf. Eine neu gegründete Peoples Democratic Front, die die Ziele der Aufstandsbewegung vertrat, konnte in der Hälfte aller Bezirke Telanganas die Wahlen im Februar 1952 gewinnen, ein sichtbares Zeichen dafür, wie verbreitet die Sympathien für die Bauernsache noch waren.

Viele Erfolge der Aufstandsbewegung wurden rückgängig gemacht. Die armen Bauern blieben nach dem sie die Erfahrung gemacht hatten, das die Macht der Feudalherren tatsächlich gebrochen werden konnte, noch einige Zeit die treuesten Anhänger der Aufstandsbewegung. Die wohlhabenden Teile dagegen schlossen sich mehr und mehr der Politik des indischen National-Kongresses an. Zwar hatte die moderne Regierung Indiens mit neuen Gesetzen Höchstgrenzen für den Bodenbesitz festgelegt, zeitweilig sogar Boden vergeben, aber weiter kein Interesse daran gezeigt, die Bedingungen für die Landbevölkerung grundsätzlich zu verbessern. Das Los vieler Pächter und armer Bauern änderte sich nicht. Nur wenige durften ihr Land aus der Bodenverteilung behalten. Viele Höfe wurden zwangsgeräumt oder die Bauern traten freiwillig ihren neuen Besitz ab.

Nun kamen die Folgen Jahrzehnte langer Kolonialherrschaft zum Tragen. Langfristig vermochten die offiziell abtretenden Kolonialherren alte Religionsgegensätze auszuspielen. Mit einer geschickten Toleranzscharteke verdeckten sie ihre Strategie des Teile und Herrsche. Während die ehemaligen Oberschichten des gestürzten Feudalstaates Hyderabad an der Erhaltung eines muslimischen Staatswesens interessiert waren, orientierte sich die Mehrzahl der Bevölkerung weiterhin am Hinduismus. Hatte das moderne soziale Interesse der Dörfler zeitweise die religiösen Differenzen überlagert, so ließen sich nun alte Gegensätze wieder aktivieren. Das Leben der Landbevölkerung versank für lange Zeit in den Wirren immer tiefer gehenden Religionshaders. Wer waren jetzt die eigentlichen Profiteure?
Die Weltnachrichten drehten sich 1952 bereits um ganz andere Dinge. Sollte ein Krieg in Korea zum neuen Weltkrieg ausarten?


Fußnoten:

[F 1] Zu dieser völlig überlebten Sklavenarbeit finden sich nur wenige Angaben. Es gibt aber Hinweise darauf, das auch in der Gegenwart Überbleibsel dieser Ausbeutungsform existieren. In der herrschenden Political Correctness fehlen eindeutig ablehnende Hinweis auf die Zuordnung von Menschen in den Stand von Unberührbaren. Historiker sprachen noch um 2000 nur von einer Semi-Sklaverei.

[F 2] Es gab tatsächlich Versuche, die Lage der modernen Schuldsklaven, denn das genau wäre ihre Zuordnung in der Gesellschaftspyramide, zu ändern. Eine Genfer Konferenz von 1930 entwarf Reformschritte. Die reale Patrimonialherrschaft der Großgrundbesitzer stand dem unüberwindbar entgegen. Auch diese Ur-Form der Ausbeutung erlebt gegenwärtig eine merkwürdige Wiederauferstehung und Tolerierung.

[F 3] Im Fürstenstaat Hyderabad fanden sich junge Anhänger der osmanischen Soldatentradition zusammen, die einer Durchsetzung von Law and Order dienen wollten. In Wirklichkeit entstand eine hauptsächlich von privaten Spenden finanzierte paramilitärische Polizeitruppe, die berüchtigt wurde durch ihre brutalen Verbrechen. Sie wurde von den Kolonialherren gern geduldet.

[F 4] Während des Jahrhunderts der offiziellen britischen Kolonialherrschaft (1858 bis 1947) änderte sich die Bedeutung der Mitgift. Als Konsequenz der massiven wirtschaftlichen Unterdrückung verloren die Frauen ihr Recht auf Bestimmung über den eigenen Besitz, der mit der Hochzeit durch die Mitgift gebildet wurde. Dieser Prozess führte schließlich soweit, dass die Frauen als weniger wert erachtet wurden - eine Entwertung, die ihr ganzes Leben betraf.

[F 5] Das Jahr 1947 brachte die offizielle Unabhängigkeit Indiens und die Staatsgründung Pakistans. Die Teilung Britisch Indiens entlang der Radcliffe-Linie führte zum Tod von etwa einer Million Menschen und der Vertreibung und Umsiedlung von weiteren etwa 20 Millionen Menschen (Hindus, Moslems und Sikhs). Diese Teilung löste somit eine der größten Katastrophen der neueren Geschichte aus.

[F 6] Die Kohlekonzerne im fürstlichen Hyderabad wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Londoner Finanziers gegründet. Neben Kohle wurden auch Erze abgebaut, Diamanten und Gold gefördert. In den Gruben arbeiteten viele landlos gewordene Bauern zu besonders niedrigen Löhnen. Auch Frauen schufteten unter Tage. Das erklärt die vielseitigen solidarischen Unterstützungen der Kumpel für die Bauernbewegung. Engere Verbindungen von Bergleuten und Bauern zeigen sich häufiger in der globalen Geschichte von Bauernaufständen und wären einer gesonderten Untersuchung wert. Das gemeinsame Verständnis für harte (nützliche) Arbeit könnte eine Motivation dafür bilden.





distress gold - Der Weg des Goldes
(kleines Lehrstück über Devisen-Kurse)

Die Wegbeschreibung des Goldes von Indien nach England beginnt man besser mit dem Silber. Ab 1835 galt in Britisch Indien die vom Mogul-Reich übernommene Silberrupie. Silber blieb Zahlungsmittel für die Steuerabgaben und die Briten liebten neben dem Gold auch Silber. London, auch Zentrum weltweiten Silberhandels, bevorzugte zugleich billiges aus Indien importiertes Getreide. Nun stieg ab 1876 die Silberproduktion in Amerika und damit fiel der Handels-Kurs der Silberrupie. In Europa begann man mit der Ausgabe von Papiergeldmengen und konnte so Silber aus Währungen eliminieren. Mit den gewonnenen Silber-Überbeständen bezahlte man billiges Getreide aus Indien. In Indien selbst stieg die Inflation und mit ihr die inneren Agrarpreise. Während also für Silber viel indischer Weizen im Ausland verkauft werden konnte, stürzten durch Überangebot die Weltmarktpreise für Weizen. England brauchte billiges Getreide u.a. um die Löhne der englischen Arbeiter niedrig halten zu können. Zugleich bot Indien billiges Getreide der Welt an und stützte gegen den Trend den Weltmarktpreis für Silber. Freiwillig oder nicht freiwillig?

Indien mußte immer mehr Getreide exportieren, auch während der Hungersnöte. Diese Handelspolitik der Regierung von Britisch Indien zugunsten des Vereinigten Königreiches ging solange gut, bis die Home Charges (Hauskosten genannte Tribute an London), die in Goldpreis zu bezahlen waren, von den eingenommenen Silbersteuern nicht mehr erbracht werden konnten.

So begann 1893 ein neues Kapitel, denn die indische Währung erhielt eine Goldzuordnung. Der Devisenkurs war nur ein einfach (subjektiv) festgelegter. Die Silberrupie blieb einheimisches Geld. Man richtete ein gewisses Goldreserve-Alibi in London ein und betrieb Kursspiele nach (subjektiven) Bedarf. Die Ausstellung und der freie Verkauf von Wechseln verschiedenster Art und das variable (beliebig festgelegte) Verhältnis Silberrupie zu Gold boten nun unendliche Möglichkeiten, blieb doch sowohl Import wie Export Indiens in britischen Händen. Solange Indien seine Schulden in Gold bezahlte, und das konnte es nur bei hohem Exportüberschuß, solange griffen Gläubiger aus Europa nicht ein. Da die Silberrupie in Indien selbst ein Eigenleben führte, konnte man an ihrem Wechsel-Kurs zu Gold frei manipulieren.

In England rechnete man gern mit hohem Kurs, dessen Grenze der Exportüberschuß Indiens darstellte. Die Herrschaften in Indien waren dagegen an einem niedrigen Wechselkurs interessiert, weil sie Exportüberschüsse erst ermöglichten. Da man auf beiden Seiten Englisch als Muttersprache sprach, konnte man sich immer einigen.

Doch der I. Weltkrieg brachte dieses schöne Geschäft durcheinander. Silber wurde wieder aktuell und stieg im Wert. Die indische Produktion wurde mehr denn je gebraucht, also flossen Mengen von Silber nach Indien. Zugleich stiegen die Agrarpreise, mit ihnen der Export aus Indien während sich dort der Hunger ausdehnte. Nach dem Krieg verfielen die Agrarpreise aber das oben genannte Geschäft ließ sich nicht mehr durchführen. Die Rupie führte kein Eigenleben mehr. Die Kaufkraft indischer Bauern sank rapide. Aktuell benötigte England dringend Gold. Also wurden indische Exporte mit extra Golddevisenpreise berechnet. Und so flossen statt Getreide Unmengen an Gold aus Indien, das die Historiker heute distress gold nennen, denn die indischen Bauersfrauen legten ihre traditionellen Ohrringe und über Generationen hinweg vererbte Halsketten ab, um die unerwartet gestiegenen Pachtpreise kurzfristig bezahlen zu können. Die Pächter verlangten angesichts der desolaten Wirtschaftslage sofortige Bezahlung aller Schulden. Der Weg des Goldes ging über kleine Händler zum indischen Währungsamt, um dort eingeschmolzen zu werden für die Reise nach England. Viele indische Bauern mußten schließlich doch ihre kleinen Felder hergeben. Statt Pacht führte Zwangs-Verkauf von Land zur Veränderung der Besitzverhältnisse auf den Dörfern. Die sozialen Widersprüche gewannen an Schärfe.





IV. Zeittafel
  Jahr Ereignisse
1946 Jan.: Gehorsamsverweigerung indischer Militärflieger.(L1 S. 1055)

18.-23. Febr. Meuterei der indischen Kriegsflotte und Generalstreik in Bombay. Weitere Gehorsamsverweigerung indischer Truppen. (L1 S. 1055)
12. Mai Die Regierung in England versucht den Unruhen in Indien durch einen Vorschlag der Bildung einer indischen und muslimischen Zone zu begegnen. (L1 S. 1055) (⇒ Mission Lord Pathick Lawrence) Die Strategie von Teile und Herrsche sollte sich erst später offenbaren.
Ab Juni beginnen Bauernrevolten und Bauernaufstände in Bengalen, Hyderabad und Maharashtra. (L1 S. 1055)
1947 20. Febr. Die englische Regierung kündigt die Übergabe der Macht an die Inder an mit Beginn Juni 1948. (L1 S. 1055)
März Zusammenstöße zwischen Hindus und Moslems. (L1 S. 1055)
8. Juni Der sogen. Mountbattenplan legt die Teilung Indiens fest. Fürstenstaaten im brit.ind. Kolonialreich (damit auch Hyderabad) sollen später extra Festlegungen erhalten.
Neue Progrome, im Punschab werden dabei 500 000 Menschen ermordet. Insgesamt werden 12 Mio Inder obdachlos. (L1 S. 1055)
15. Aug. Vollendung der Teilung Indiens in die Dominien Pakistan und Indien.(L1 S. 1055)
15. Aug. Gesetz über die Unabhängigkeit Indiens.
Generalgouverneur des unabhängigen Indiens wird der Brite ⇒ Lord Mountbatten. (L1 S. 1055)
Indien ist seit 1947 Mitglied des Commonwealth of Nations, deren Oberhaupt ist die Englische Königin.
1948 September Höhepunkt des Bauernaufstandes in Telangana.(L1 S. 1055)
5. Sept. Einmarsch indischer Truppen in Telangana.
1953 Agrarreformen








V. Namen bedeutender Persönlichkeiten
A. Ramachandra Reddy Siehe: ⇒ wiki/V. Ramachandra Reddy
Romesh Chandra Dutt (1848-1909) Dutt veröffentlichte die erste akademische Studie über die Armut der Bauern in Indien (Bengalen) im Jahr 1896. Er schrieb auch die erste Geschichte über Britisch Indien (1908) aus indischer Sicht. [L2 S.200-201]
William Jones (1746-1794) Orientalist, studierte Latein, Griechisch, Hebräisch, Arabisch und Persisch in Oxford. Sudierte als Richter in Kalkutta Sanskrit. Benutzte seine Kenntnisse, um Gesetzbücher getrennt für Hindus und Muslime aufzustellen. [L2 S.194-195]. Jahrzehnte später entstand in der neuaufsteigenden Mittelschicht Indiens eine schleichende Opposition zwischen Hindus und Muslimen. Hindus und Muslime bildeten jeweils getrennte Gesetze und Kulturen. »Legale Richtlinien auf religiöser Basis zu definieren entsprach britischen Ideen von der Trennung des Christentums von Islam und Hinduismus, außerdenm erhielt man so eine Schablone für eine multikulturelle Vereinheitlichung kultureller Differenz.« [L2 S.191] Diese Prinzipien wurden bürokratisch auf ganz Britisch Indien angewendet und so wurde beispielsweise das Kastenwesen neu in rechtliche und administrative Kategorien der Staatseinrichtungen integriert und blieb erhalten.
Motilal Nehru Mitbegründer des All-India National Congress. Diese Kongresspartei (heute INC) wurde von Briten mit indischen Hindus und Muslimen 1885 gegründet. Motilal stammte aus einer Brahmanenfamilie aus dem Kaschmir, er absolvierte eine indische Universität, die von den Kolonialherren errichtet wurde, um eine nationale Oberschicht auszubilden, die zur kolaborierenden Mitarbeit in der kolonialen Verwaltung fähig und bereit war. Vater des ⇒ Pandit Jawaharlal Nehru.
Dadabahai Naorojii (1825-1917) indischer Mathematiker und Politiker, »Der große alte Mann Indiens«. Der erste, der klar zu stellen vermochte, dass die Armut in Indien das Ergebnis britischer Kolonialherrschaft ist. 1867 legte er in dem Buch Poverty and Un-British Rule in India seine Theorie vom Drain of Wealth (Abfluß des Reichtums) dar.
Bahadur Yar Jang Nawab Bahadur Yar Jung







VI.Anhang
Begriffserklärungen
AMS

Andhra Mahasabha
Begonnen hatte alles mit der Tatsache, das auf einem kulturellen Forum Resolutionen in den Sprachen Englisch, ⇒ Urdu und ⇒ Marathi abgefasst wurden, aber nicht in der Sprache ⇒ Telugu. Besser gebildete Kreise schufen sich aus Protest darüber eine Organisation zur Unterstützung der Telugu-Sprache und ihrer Verbreitung in Bibliotheken, Schulen und durch Volkskünstler. Daraus entstand 1928 eine neue Organisation (Andhra Mahasabha), die 1930 im Medak-Distrikt ihren ersten Kongress abhielt. Die Regierung verbot dem AMS jede politische Betätigung. Als 1935 die Konferenz im Distrikt Karimnagar statt fand, befand sich der AMS in den Händen der ländlichen Mittelschicht und die jüngeren Teilnehmer forderten bereits die Senkung von Steuern und die Abschaffung der Vetti. 1941 war der AMS auf dem Weg zur Massenorganisation und 1944 spaltete sich deren rechter Flügel ab. Der linke größere Teil wurde zur bäuerlichen Massenorganisation, die sich der sozialen Probleme auf dem Land ernsthaft annahm. Da sich die CPI ebenfalls der Lösung sozialer Fragen widmete, erhielt sie in dieser Organisation große Anerkennung und Einfluß.

Aktivisten in den 1940er Jahren: Arutla Ramachandra Reddy, C. Rajeshwara Rao, Narayan Reddy, Badam Yella Reddy.     ⇒ Andhra Mahasabha in Wikipedia.
Arya Samaj

Eine politische Reformbewegung der Hindus im kolonialen Indien, die von modernen Historikern rechtsgerichteten Kräften zugeordnet wird. Die Anhänger der 1875 im Punjab gegründeten Organisation benannten als ihren Hauptgegner den englischen Kolonialismus. Sie zeigten sich offen antichristlich und antimuslimisch. Mutig offenbarten sie sich als Feinde des Kastenwesens. Sie traten für die Gleichheit aller Hindus ein, forderten Bildungsreformen und verboten die traditionelle Kinderheirat. Als erste verteidigten sie die Freiheit der Witwen, sich nach dem Tode des Mannes wieder verheiraten zu dürfen. Aus heutiger Sicht eine kleinbürgerliche Befreiungbewegung, die sich artikulieren konnte, nach dem sich einzelne Mutige fanden, die des Lesens und Schreibens kundig jenen Kasten Freiheit propagierten, die als unberührbar galten. Im modernen Europa haben Vertreter solcher Forderungen heute keinerlei staatliche Verfolgung zu fürchten. Für Europäer ist der Mut der damaligen Arya-Samaj-Anhänger, die unter ständiger Gefahr absoluter gesellschaftlicher Ausgrenzung wagten, feudale Zustände abzulehnen, kaum einzuschätzen. Viele der damals Wagemutigen, heute in der Historie als rückständig diffamiert, starben unerkannt in den Gefängnissen einer längst überlebten Fürstenmacht.

Bhagela Schuldarbeiter
CPI Communist Party of India
Ravi Narayana Reddy (ein Anführer der Rebellion), ⇒ B.T. Ranadive (ein Anführer der Rebellion). ⇒ Karte Wikipedia engl und ⇒ Telangana-Rebellion
Deshmukh Ursprünglich ein Pachteintreiber, der zum Landbesitzer wurde.
Distress Gold

Ein Begriff, der heute nur noch für Modeschmuck verwendet wird. Seine tragische historische Herkunft findet man in Indien. In den 1920er und 1930er Jahren fanden dort außergewöhnlich radikale Bereicherungsorgien statt. Die Bauern waren in stark erhöhte Steuer-, Pacht- und Schuldverpflichtungen eingebunden und mußten während des Falls der Agrarpreise um ihre Existenz kämpfen. Die Londoner Entscheidung, den Goldstandard zu verlassen, wertete das Pfund ab und damit gleichzeitig die Rupie. Beider Wechselkurs ließ den Goldpreis in Indien in die Höhe schnellen. Das veranlasste die Geldverleiher, den Bauern den Kredit zu sperren und sofort alle Schuldbeträge und Zinsen einzufordern. Der eingesammelte traditionelle Schmuck, von den Bauersfrauen als letzte Möglichkeit der Schuldentilgung benutzt, wurde im Währungsamt eingeschmolzen und nach London transferiert. Es sollen bis zum Ende der 1930er Jahre um Beträge von 3072 000 000 Rupien, also damals rund 250 000 000 £ gehandelt haben. (L3 S.69) Da das Gold anfangs den Weg anfangs über kleine Händler ging, finden sich vermutlich keine Statistiken. Den englischen Beamten in Indien überkam jedoch die Furcht, das die verzweifelte Situation der Bauern Aufstände auslösen könnte und so prägten sie den inoffiziellen Begriff des distress gold.
Für die deutsche Übersetzung wäre Notgold nicht ausreichend entsprechend, weil es fälschlicherweise als Rücklage interpretiert werden könnte. Für distress (auch: Bedrängnis) wird bedrängen deutlicher: in die Enge treiben, auf dem Nacken sitzen.

Home Charges

Jährliche Tribute der indischen Kronkolonie an London.
Zusammensetzung:
  Schuldendienst
  Kosten für Armee und Marine beim Auslands-Einsatz für britische Interessen
  Pensionen für Beamte, die in Indien gedient hatten und wieder in England lebten
  Kosten für das India Office in London
Die Größenordnungen beliefen sich um 1900 etwa in der gesamten Höhe der indischen Handelsbilanz plus zusätzlicher Kredite aus London. Die gesamte Summe der Home Charges war als verpflichtende Zahlung in £ (Gold-Bindung) zu bezahlen. Da die Höhe abhängig war vom Verhältnis Rupie zu Pfund ergaben sich entsprechende Nachteile für Indien.

Hyderabad
(Staat)
Der indische Fürstenstaat Hyderabad (Nizam’s Dominions - 1724 und 1948/56) dehnte sich über eine Fläche von 214 187 km² mit und 16 Millionen Einwohner.
Bodenschätze: Kohle und Gold.     ⇒ Karte Hyderabad um 1909
Jagir [auch: Dschagir, Jagirdari] Das Jagirdari-System stellte das vorherrschende Herrschaftssystem im Feudalstaat Hyderabad dar. Der Nizam ernannte seine Vasallen (Jagidars) und vergab ihnen die Rechte zur Steuererhebung über ein bestimmtes Gebiet und für eine bestimmte Zeit. Dafür waren seine Leute ihn zu Dienst (vorrangig Militärdienst) verpflichtet. Die Dschagirs umfassten etwa 40% des Landes. Das betraf über 6 1/2 Tausend Dörfer.
Siehe auch: → Aufstand der Sikh-Bauern und in Wikipedia ⇒ Jagir.
Nizam Titel des Herrschers im Fürstenstaat Hyderabad (muslimischer Hyderabad-Staat im britisch-indischen Reich). Der letzte Nizam Mir Osman Ali Khan Asaf Jah VII (1886-1967) regierte Hyderabad von 1911 bis 1948, bis es von der Indischen Republik erobert wurde.
Razakar

Die muslimischen Razakar entstanden als Ableger einer staatlich gestatteten Organisation, die offiziell gesamtindisch legitimiert schien. Im Fürstenstaat Hyderabad fanden sich dabei die Anhänger der osmanischen Soldatentradition zusammen, die einer Durchsetzung von Law and order dienen wollten. In Wirklichkeit entstand eine von privaten Spenden finanzierte paramilitärische Polizeitruppe. An der Niederschlagung des Bauernaufstandes trug sie wesentlichen Anteil mit schwersten Verbrechen an der ländlichen Bevölkerung. Mutige einfache Bauerneinheiten vermochten zuweilen diese Söldlinge in die Flucht zu schlagen.
Vernichtet wurden die Razakar schließlich durch die Militäreinheiten der Gesamtindischen Armee, die hinduistisch geprägt, eine radikale Säuberung im Fürstentum Hyderabad vornahm und extrem brutal nach Niederschlagung des Bauernaufstandes auch den muslimischen Gegner beiseite fegte. Ein Irrtum der aufständischen Bauern bestand darin, das mit der Indischen Armee auch die Befreiung käme. Das war mitnichten der Fall, auch wenn der Feudalstaat abgeschafft wurde.
Razakar, [siehe auch: Scheitern einer modernen Zwei-Nationen-Theorie über die Einheit zweier Religionen (Hindus und Muslime) in einem Staat Indien, ⇒ Khaksars.

Vetti Unbezahlte Zwangsarbeit. Aus feudal-historischen Verhältnissen stammend und bis in die 1970er Jahre noch nachweisbar existierend. Die Arbeit wurde von niederer Kaste unbezahlt für die höhere Kaste geleistet. Angeblich sicherte Vetti die soziale Stabilität im Dorf.
Zum Begriff liegen wenige ungenügende Daten vor. Prüfen: ⇒ Jajmani_system (hier Zitat: This coercive system gave rise to a rebellion of the lower castes against the jamindars in the Telangana region in 1946.) und ⇒ Unfree_labour. (weitere Ergebnisse prüfen: In Vetti-Chakiri und Begar haben niedere Kasten nur Pflichten gehabt, um der oberen Kastengemeinschaft, auch Vetti oder Vetti Chakiri genannt, freie Dienste zu leisten.)
Links, Literatur, Quellen, Hinweise
(L1) Hrg. Prof.Dr. Alfred Anderle u.a., Weltgeschichte in Daten, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1965 (S.957),
und ⇒ Wikipedia und ⇒ Famine in India.
(L2) David Ludden, Geschichte Indiens, Magnus Verlag Essen 2006
Original Oxford, England 2002 als India and South Asia. A Short History {HL: Keine Erwähnung des Telengana-Aufstandes. Nichts über Gold. Viel über Teilung und Kaschmir.}
(L3) Dorothea Wanek, Auswirkungen der Finanzpolitik der Bank of England auf das koloniale Indien in der Zwischenkriegszeit, Wien 2013
- Hermann Kulke, Dietmar Rothermund, Geschichte Indiens, Verlag C.H. Beck , 2.aktualisierte Auflage der Sonderausgabe 2010

Gold und Devisen: S. 338-346 , keine Erwähnung des Telengana-Aufstandes.
Link JOURNAL ARTICLE , Die Goldbewegungen aus Britisch-Indien , Sudhir Sen , Weltwirtschaftliches Archiv 39. Bd. (1934), pp. 347-382
Link Für weiteres Nachlesen: ⇒ Hyderabad Deccan Company
Link mitgift-in-indien
Link Wikipedia Der Staat Hyderabad war von den verheerenden Hungersnöten 1898 und 1900–1902, bei denen offiziell 1,5 Mio. Menschen verhungerten, und den folgenden Epidemien stark betroffen.
Link Wiki Das Persische als Amtssprache wurde bei Hofe 1884 und in der Verwaltung 1886 durch Urdu, das zehn Prozent der Hyderabader sprechen, ersetzt. Ein Großteil der hinduistischen Bevölkerung sprach jedoch Marathi (25 %) oder Telugu (50 %). Die muslimische Oberschicht dominierte die Verwaltung, Schlüsselpositionen waren mit Briten besetzt.





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Notizen Bauernaufstand in Hyderabad  ౿  Telangana-Aufstand  ౿  begonnen: 18.12.2017  ౿  Stand: 16.05.2018  ౿  Hans Holger Lorenz