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Thomas Müntzers Predigt auf dem Schlachtfeld bei Frankenhausen am 15.Mai 1525
"Die Feldpredigt"

"Es will Gott nicht, daß ihr Fried mit den gottlosen Fürsten machet!"

Zeichnung von Hans Baltzer

Thomas Müntzer predigt das letzte Mal vor den Bauern


Lieben Brüder, ihr sehent, daß die Tyrannen unsere Feind so da seind, und unterstehen sich, uns zu erwürgen, und seind doch so forchtsam, daß sie uns nicht dorfen angreifen, und fordern, daß ihr sollt abziehen, sollt die Anfenger dieser Sach uberantworten. Nun, lieben Brüder, ihr wüßt, daß ich solche Sach aus Gottes Befehl hab angefangen und nicht aus eignem Fürnehmen oder Kühnheit, denn ich kein Krieger mein Tag nie gewesen bin. Dieweil aber mir Gott mündlich geboten hat auszuziehen, bin ich schuldig, und ihr alle, dazubleiben und des Ends zu warten. Es gebote Gott Abraham, seinen Suhn zu opfern; nun wüßt Abraham nicht, wie es gehn sollt, dannoch folgt er Gott und fuhre fort, wollt das fromm Kind opfern und töten. Da errettet Gott Isaak und erhielt ihn beim Leben.
Also auch wir, dieweil wir Befehl von Gott haben, sollen wir des Ends warten und Gott für uns lassen sorgen. Darüber aber hab ich nicht Zweifel, es werde wohl geraten und wir diesen heitigen Tag Gottes Hilf sehen und unsere Feind alle vertilgen; denn Gott spricht oft in der Schrift, er woll den Armen, den Frommen helfen und die Gottlosen ausrotten. Nun seind wir je die Armen und die Gott sein Wort begehren zu erhalten, darum sollen wir nicht zweiflen. Es würd Glück auf unser Seiten sein.

Was seind aber die Fürsten?
Sie seind nichts dann Tyrannen, schinden die Leut, unser Schweiß und Blut vertön sie mit Hoffieren, mit unnützen Pracht, mit Huren und Buben. Es hat Gott geboten in Deuteronomio, es soll der König nicht viel Pferd bei sich haben und einen großen Pracht führen; auch soll ein König das Gesatzbuch täglich in Händen haben.
Was tun aber unsere Fürsten?
Sie nehmen sich des Regiments nicht an, hören die armen Leute nicht, sprechen nicht Recht, halten die Straßen nicht rein, wehren nicht Mord und Raub, strafen kein Frevel und Mutwill, vertedingen nicht Witwen und Waisen, helfen nicht den Armen zu Recht, schaffen nicht, daß die Jugend recht erzogen würd zu Guten, fürdern nicht Gottes Dienst, so doch um solcher Ursach willen Gott Oberkeit eingesetzt hat, sonder verderben allein die Armen je mehr und mehr mit neuen Beschwerden, brauchen ihrs Macht nicht zu Erhaltung Friedens, sonder zu eignem Trutz, daß je einer seim Nachbauren stark genug sei, verderben Land und Leut mit unnötigen Kriegen, Rauben, Brennen, Mörden.

Das seind die fürstlichen Tugend, damit sie jetzt umgehen. Ihr sollt nicht gedenken, daß Gott solches lenger leiden wölle; dann wie er die Cannaneos vertilget hat, so würd er auch diese Fürsten vertilgen. Und ob schon solches zu leiden wäre, so kann doch Gott das nicht leiden, daß sie den falschen Gottsdienst der Pfaffen und Münche vertedingen wöllen. Wer weiß nicht, was greulicher Abgötterei geschieht mit dem Kaufen und Verkaufen in der Messe. Wie Christus die Kremer aus dem Tempel stieße, so würd er diese Pfaffen und was an ihn hanget verderben.
Und wie Gott Phenees gelobet hat, daß er die Hurerei mit Cosbi strafet, so würd uns Gott Glück geben, der Pfaffen Hurerei zu strafen.

Darum seid getrost und tut Gott den Dienst und vertilget diese untüchtige Oberkeit. Dann was hilfts, ob wir schon Frieden machten mit ihnen, denn sie wollen doch fortfahren, uns nicht freilassen, treiben uns zu Abgötterei. Nun seind wir schuldig, lieber zu sterben, denn in ihr Abgötterei zu verwilligen. Es were je besser, daß wir Merterer wurden, dann daß wir leiden, daß uns das Evangelium entzogen werd und wir zu der Pfaffen Mißbrauche gedrungen werden. Darüber weiß ich gewißlich, daß Gott uns helfen würd und uns Sieg geben, denn er hat mir mündlich solches zugesagt und befohlen, daß ich alle Stend soll reformieren.

Es ist nicht Wunder, daß Gott wenigen und ungerüsten Leuten Sieg gebe wider viel tausend; denn Gedeo mit wenig Leuten, Jonathas mit seim eigenen Knaben viel tausend geschlagen haben, David ungerüst den großen Goliath umbracht. Also hab ich nicht Zweifel, es werd jetzund dergleichen geschehen, daß wir, wiewohl ungerüst, werden obliegen. Es müßt ehe Himmel und Erden endern, dann wir verlassen sollten werden, wie sich des Meers Natur endert, auf des Hilf den Israelischen geschah, da Pharao nacheilt.
Laßt euch nicht erschrecken das schwach Fleisch und greift die Feind kühnlich an, dörft das Geschütz nit förchten, dann ihr sollt sehen, daß ich alle Büchsenstein in Ärmel fassen will, die sie gegen uns schießen. Ja ihr sehent, daß Gott auf unser Seiten ist, denn er gibt uns jetzund ein Zeichen. Sehent ihr nicht den Regenbogen am Himmel? Der bedeut, daß Gott uns, die wir den Regenbogen im Banner führen, helfen will und dreuet den mördrischen Fürsten Gericht und Strafe. Darum seind unerschrocken und tröstet euch göttlicher Hilf und stellt euch zu Wehre. Es will Gott nicht, daß ihr Fried mit den gottlosen Fürsten machet.

aus: DOKUMENTE AUS DEM DEUTSCHEN BAUERNKRIEG
Beschwerden Programme Theoretische Schriften
Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1974
Printed in German Democratic Republic (DDR) 1974
Seite 170 - 172

Müntzers Predigt im PDF-Format
     

Die farblich gekennzeichnete Textstelle bedeutet im heutigen Sprachgebrauch etwa Folgendes:
Was aber machen unsere Fürsten? Sie regieren nicht ernsthaft, hören nicht auf die Stimme der Armen, fällen keine Rechtsurteile, lassen auf den Straßen Mord und Raub geschehen, bekämpfen die Kriminalität nicht, schützen rechtlich nicht die Witwen und die Waisenkinder, bevorzugen rechtlich die Reichen, kümmern sich nicht um die Ausbildung und Erziehung der Jugend, fördern nicht den Gottesdienst, wofür sie jedoch als Gottes Obrigkeit eingesetzt sind, dafür belasten sie die Armen mit immer neuen Abgaben, machen keine Friedenspolitik sondern rüsten ständig auf und reißen Land und Leute in unnötige Raubkriege hinein.





Ereignisse in Frankenhausen


11.Mai 1525 : Müntzer in Frankenhausen
14.Mai 1525 : Kampfhandlungen eröffnet
15.Mai 1525 : Müntzers Predigt auf dem Schlachtfeld bei Frankenhausen
16.Mai 1525 : Thomas Müntzer wird gefoltert und verhört
17.Mai 1525 : Bekenntnis und Brief an die Mühlhauser
27.Mai 1525 : Hinrichtung Thomas Müntzers und Heinrich Pfeiffers



weitere ⇒  Karten zum Deutschen Bauernkrieg


Die Beschreibung der ⇒  Schlacht bei Frankenhausen (15.Mai)
     Schlacht bei Frankenhausen







Die im oben abgebildeten Text (schwarz) hervorgehobene Stelle wurde in verschiedenen Ausgaben von Historikern zeitgemäß variiert wiedergegeben:


Basel 1573 ⇒  Vergrößerung
Quelle: ⇒  Münchener Digitalisierungszentrum
Petrus Gnodalius in der Ausgabe aus dem Jahr 1573:
Gnodalius, Petrus & Schlusser, Jakob:
Der Peürisch vnd protestierende Krieg, Das ist, Historischer, warhafftiger vn[d] grundlicher Bericht der Bewrischen empörunge[n] vnd auffruhr, so im Jar M.D.XXV. bey zeiten der Regierung Caroli des V. Römischen Keisers, in Teutschlandt entstanden, vnd durch sonder gnade Gottes, dazumal glücklich in allen Ländern gestillet vnnd hingelegt




Erlangen 1840
Quelle: ⇒  Österreichische Nationalbibliothek
Heinrich Wilhelm Bensen in der Ausgabe aus dem Jahr 1840:
Geschichte des Bauernkrieges in Ostfranken







Gedächtnissäule für die Bauern von Albrecht Dürer

Entwurf einer Gedächtnissäule
für den Bauernaufstand
von Albrecht Dürer (um 1526)
        
Weitere Texte von Thomas Müntzer


Die Fürstenpredigt
Ausgedrückte Entblößung des falschen Glaubens
Hochverursachte Schutzrede
Sendbrief zur Bekehrung Bruder Ernsts
Münzer an verfolgte Anhänger in Sangerhausen



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Titelblatt von 1925
Friedrich Engels
⇒  Der deutsche Bauernkrieg
Titelblatt der Ausgabe von 1925







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Notizen zum Deutschen Bauernkrieg / 8. Mai 2014 / Hans Holger Lorenz / WB-To