Aufstände in der Han-Dynastie während der Zeitenwende

I. Aufstand der »Roten Augenbrauen«  ♦   II. Aufstand der »Gelben Turbane«  ♦   III. Gebrauch der Münzen  ♦   IV. Zeitangaben  ♦   V. Zeitgenossen  ♦   VI. Begriffe  ♦   VII. Literatur Quellen    

Abb. 1: Ziegelrelief aus einem Grabgewölbe der Han-Periode (1. Jahrhundert u.Z.)


Wenn man großzügig mit historischen Zeitabständen umgeht, erkennt man in den fünfhundert Jahren vor der Zeitrechnungswende das Erstrahlen besonderer Glanzlichter. In den verschiedensten Kulturkreisen der Welt warfen die Menschen nahezu zeitgleich dieselben Fragen auf. Das betraf das Verhältnis des Menschen zur Natur und die Beziehung des einzelnen Individuums zum menschlichen Kollektiv. Die Erdenbewohner suchten Normen zum Handeln, die auf Gerechtigkeit und Glück orientieren sollten. Im alten Hellas formulierte Thales von Milet darauf Antworten ohne Beteiligung überirdischer Kräfte. In Judäa ließ man einen gewissen Propheten Ezechiel eben solche mit Hilfe eines einzigen Gottes finden. Die Asiaten wiesen Buddha jene Erkenntnis zu, das nur völlige Abkehr vom Irdischen das Glück bringe und in China stellte ein Konfuzius genau gegenteilige Lebensregeln auf. Das ist uns alles aus jenen fernen Jahrhunderten überliefert, aber fast nichts davon, wie die Bauern ständig um die Früchte ihrer harten Arbeit gebracht wurden. Der erste Bauernaufstand, von dem uns etwas Nachricht aus der dreiundzwanzig Jahrhunderte zurückliegenden Zeit zukommt, fand vermutlich im Jahr 209 v.u.Z. statt. Weil im alten China sehr früh eine Geschichtsschreibung einsetzte, wurde in ihr zuweilen über soziale Kämpfe berichtet. Aber es ist eine endlose Zahl von Bauernrevolten und Bauernkriegen zu vermuten, die uns aus den verschiedensten Gründen nicht überliefert wurden.

Hier soll darum von der konfliktreichen Historie erzählt werden, die wir einigermaßen glaubhaft zu wissen vermögen. Hauptakteure der menschlichen Geschichte bleiben über Jahrtausende die Bauern, jene Menschen, die von Beginn der Gesellschaft an gelernt hatten, Produktionen in Gang zu bringen, die auf ausdauernder Beobachtung der Natur, auf zielbewusster fleißiger Arbeit, auf nahezu endloser Geduld und schließlich auf nachhaltigem Einsatz der Ressourcen beruhen. Dem standen jene Drohnen gegenüber, die sich stets und ständig nur an den Produkten der Arbeitsamen zu bereichern verstanden. Ihre vornehmliche Aktivität bestand fast ausschließlich darin, ausgerechnet jene Klasse in mehrfachen Sinne niederzuhalten und herabzudrücken, die ihnen die Mittel zum bequemen Leben produzierte.





I. Das Xin-Interregnum (9 - 24 u.Z.) und der Aufstand der »Roten Augenbrauen« im Jahr 18 u.Z.
Wie in der voran gegangenen Qin-Dynastie waren auch im Han-Staat die Bauern schwersten Belastungen ausgesetzt. Die Hunneneinfälle aus dem Norden erzwangen höchste Aufwendungen zur Absicherung der Grenzen und für die Aushebung der Grenzschutztruppen. Auch der Bau von Straßen, Kanälen, Palästen und Grabanlagen entzog den Landbewohnern viele Arbeitskräfte. Die Frondienste verlängerten sich von einem Monat auf ein Viertel Jahr. Erfindungsreichtum bewiesen die Staatsdiener für ihr Steuersystem. Dem heutigen Leser kommen sie bekannt vor: Grundsteuer, Einkommenssteuer, Gewerbesteuer, Fahrzeugsteuer, Bootssteuer u.s.w. alles Steuerangaben vor 2000 Jahren. [1] Kaufleute hatten für die Steuerfestlegung ihr Vermögen offen zu legen. Auf Alkohol, Salz und Eisen lag das Staatsmonopol. "Geld" soll in Kupfermünzen mengenhaft geprägt und schließlich abgewertet worden sein. Der Staat verkaufte seine Ämter, hortete billiges Getreide zum teuren Verkauf in Notzeiten und zwang die Begüterten zu "Schenkungen". Der Kaiser hatte sich einen gewaltigen Beamtenapparat zugelegt, der eine Bevölkerung von 60 Millionen Einwohnern auspresste. Und dennoch geriet alles in eine desaströse Lage.

Das hatte seine wirksamsten Ursachen in der Situation der Landwirtschaft. Der überwiegende Teil der Ackerfläche von einer halben Million Quadratkilometern gehörte Großgrundbesitzern. Diese verpachteten Land an die Bauern. Obwohl sie selbst von Steuerabgaben befreit waren, erhöhten sie ständig den Druck auf ihre Pächter. Die langwirkende Folge bestand in der Abwanderung der Bauern. Viele Landflüchtige verloren eigenen Grund und Boden durch wachsende Schulden. Die Schere zwischen armen Produzenten und hyperreichen Landbesitzern [2] öffnete sich immer weiter. Besitzlose Menschenmassen bevölkerten zunehmend die Städte und zugleich gingen Handwerk und Kleinindustrie in den Ruin, weil diese neuen Städter kaum über Münzen verfügten. Eisenfabriken, Webereien und Textilmanufakturen schlossen. Das Elend weitete sich endlos sichtbar aus.



Karte 1: Aufstandsgebiete und der Zug der »Armee der Roten Augenbrauen«

Der sich anbahnende Aufstand konnte offenbar auch nicht mehr durch wohlgemeinte Politikänderungen verhindert werden. Diese Epoche beschreibt tatsächlich ein beispielhaftes Kapitel menschlicher Historie, wie sich zu spät eingeleitete Sozialreformen als unwirksam erwiesen und gesellschaftliches Chaos zwangsläufig folgte.
Angesichts der allgemeinen Notlage gelang es einem gewissen Wang Mang im Jahr 9 u.Z. den Kaiserthron zu usurpieren. Gemeinsam mit dem kofuzianischen Gelehrten Liu Xin versuchte dieser Neffe aus der Kaiserfamilie die Krise zu meistern. Er wollte Ländereien der Großgrundbesitzer an steuerzahlende Bauern verteilen und ließ das private Sklavenwesen verbieten. Aber die Reformansätze gelangten nicht mehr zur Durchführung. Wang Mang hatte sich, eher ungewollt, die hyperreichen Landbesitzer, die wesentlich mehr Boden besaßen als die Landadligen schlechthin, zum Feind gemacht und ihre Einflußmöglichkeiten unterschätzt. Während seiner Machtübernahme degradierte er viele Beamte und Mitglieder des Kaiserhauses und brachte so eine weitere starke Oppositionskraft gegen sich auf. Zur allgemeinen gesellschaftlichen Explosivität kam der Zündfunke einer Naturkatastrophe hinzu: der Gelbe Fluß trat über die Ufer und die deswegen einsetzenden Mißernten wirkten wie Katalysatoren für die revoltierenden Bauern. Die desaströsen Bedingungen wurden zusätzlich belastet durch eine unbeherrschbare Massenwanderung, die plötzlich aus dem Osten in den Süden einsetzte. Unruhen und Revolten an den verschiedensten Orten des Landes bewiesen die Unzufriedenheit der Bevölkerung. Der erste Aufstand brach im Jahr 15 u.Z. in einer nordwestlichen Grenzgarnision aus. Danach erhoben sich die Landleute in Anhuee und Djangsu. In Honan und Hubee brodelten weitere Unruhen. Schließlich brach im Jahr 18 u.Z. der Aufstand in Shandong los. Initiatoren waren die Mitglieder einer taoistischen Geheimgesellschaft, die sich fortan mit rot bemalten Stirnen offen kennzeichneten und Rote Augenbrauen nannten. Weitere Abteilungen der Revoltierer trugen Namen wie Eherne Rösser oder Große Speere. Ihre jeweiligen Größenordnungen überschritten nicht selten mehrere Zehntausend Kämpfer. Der elende dauerwährende Hunger, die unbegrenzte Habgier der Hyperreichen und das Entwurzeln durch Schuldknechtschaft und Naturkatastrophen hatte sie alle zusammengeschweißt: verschuldete Bauern, desertierte Soldaten, arme Hirten und Fischer, ruinierte Händler und vertriebene Städter.
Wie sich auch in späteren Jahrhunderten und auf anderen Kontinenten zeigen sollte, zog es auch hier Bündnispartner aus der Oberschicht auf die Seite der Bauernhaufen. Grundherren, die den Sprung zum Hyperreichtum nicht geschafft hatten und unter der Willkür des neuen Usurpators Wang Mang litten, ebenso die Angehörigen der entmachteten Clique der Kaiser und gestürzte Beamte griffen in die Kämpfe ein. Der Historiker Ban Gu berichtete, das sie das "... unbesonnene Volk zur Rebellion anstachelten...". (L5) So schlossen sich Liu Xiu und Liu Yan, Landbesitzer und Mitglieder des Kaiserlichen Han-Hauses der Armee der Grünen Wälder an. Diese Rebellen kämpften bereits seit dem Jahr 17 unter Wang Kuang und Wang Feng gegen den Usurpator. Der entsandte seine Generäle mit 100 000 Mann gegen die Aufständischen. Sie ließen besondere Grausamkeit gegen die Bauern walten und zuweilen Zehntausende hinrichten. Die chinesische Kaisergeschichte benannte die Aufständischen gegen die Regierung daher immer als "Räuber", konnte aber deren zunehmende Widerstandskraft nicht verschweigen. Die Rebellionen weiteten sich aus auf Hobee, Sstschwan, Schenssi und Gansau.

Wenn Staaten eine innere Zerrissenheit auch nach außen sichtbar zeigen, sehen naturgemäß angrenzende Staaten die Möglichkeit ihrer Einflußnahme. Sind die Nachbarn gar aggressiv, nutzen sie ihre Chance. Das taten die Hunnen, die in die Xin-Gebiete einfielen. Derweil nahmen die Aufständischen die Hauptstadt Chang'an ein. Der Machthaber Wang Mang kam bei inneren Wirren ums Leben und damit fand das Xin-Interregnum sein Ende.
Die Hauptstadt, geplündert und niedergebrandt, konnte keine Funktion mehr ausüben für das Land. Der neue Machthaber Liu Xiu, änderte seinen Namen in Guang-wu-die (= glanzvoller kriegerischer Kaiser) und verlegte das Machtzentrum in das östlichere Luoyang (daher östliche Han-Dynastie). Zuerst zerschlug er den Bauernaufstand, den er vormals begleitete, brutal nieder. Dann ließ er das Land vermessen und ein neues Steuersystem einrichten. Alle Privat-Sklaven erhielten die Freiheit. Die in Verfall geratenen Bewässerungssysteme boten ausreichend Arbeitsmöglichkeiten. Aber die Ursachen der sozialen Spannungen waren trotz sich langsam einstellender wirtschaftlicher Erholung nicht beseitigt. Erneut festigten sich die Positionen der hyperreichen Großgrundbesitzer. Dabei handelte es sich nicht selten um jene Clans, die schon während der frühen Han-Dynastie sich an Grund und Boden bereichert hatten. Wieder verpachteten sie Land an die sich neu verschuldenden Bauern. Völlig unberührt von den harten Lebensumständen der Bevölkerungsmehrheit führten sie weiter ein sicher abgegrenztes Luxusleben. Vetternwirtschaft und Korruption breiteten sich wiederholt aus.


Fußnoten:

[1] Eine tatsächlich eingezogene Pferdefuttersteuer erscheint der heutigen Mineralölsteuer fast vergleichbar.

[2] Als hyperreiche Landbesitzer wird hier eine sich in der Han-Zeit neu herausbildende Grundherrenschicht bezeichnet. Der Bodenbesitz unterlag nicht einem erblichen Lehnswesen. Als Landbesitz gehandelt werden konnte, erwarben sich vorrangig reich gewordenen Händler den Boden und verpachteten an die Bauern. Die neuen Herren unterschieden sich als Stadtbewohner sehr von den alten Grundbesitzern, die selbst noch auf dem Land lebten. Sie stellten zugleich die Schicht der Gebildeten (Shiren oder Shensi oder Gentry) dar und aus ihnen rekrutierten sich die neuen Staatsbeamten. Neben den mehrfachen Einkünften genossen sie auch noch Steuererleichterungen. Ihr Reichtum nahm also sprunghaft ungeahnte Ausmaße an. Ihr Hypervermögen gestattete ihnen zugleich ungeheuren Einfluß auf die Politik des Kaiserreiches.(L6)









II. Der Aufstand der »Gelben Turbane« 184 u.Z.
Zwei Jahrhunderte später, aber noch während der Han-Dynastie, stieg die Bevölkerungszahl stark an und erreichte zu deren Ende etwa 60 Millionen Einwohner. Der Aufstand der Gelben Turbane, genannt nach der Farbe der Kopftücher, mit denen die Rebellen sich kenntlich machten, begann 184 u.Z. und die sich daraus ergebenden Kämpfe sollen sich drei Jahrzehnte hingezogen haben.

Karte 2: Der Aufstand der »Gelben Turnane«

Ein Prediger stand am Beginn der Ereignisse. Chang Chiao, der Gründer einer dauistischen Geheimsekte, predigte die Lehre vom »Taipingdau« [Tai-ping tao = Weg zur großen Gleichheit], die eine Zeit des glücklichen Lebens ankündigte. Die Ungerechtigkeit sollte zu Ende sein, der Blaue Himmel als Inkarnation der Gewalt hatte dem Strahlenden (gelben) Himmel als Zeitalter des Glücks zu weichen. Chang Chiao stammte aus Julu in der Provinz Hebei. Als weit bekannter reisender Arzt tätig, fand er viele dankbare Anhänger, die bereitwillig seine Lehren verbreiteten. So wirkten die Rebellen zehn Jahre lang geduldig im Geheimen, aufopferungsvoll und mutig predigten sie auf den Dörfern und in den Städten. Sie propagierten den Taiping-Daoismus in den Einzugsgebieten des Gelben Flusses und wurden am Yagtse aktiv. Ihre Verbindungen reichten schließlich bis in die Hauptstadt und direkt in den Kaiserpalast. Es waren ihrer Zehntausende auf dem Land geworden und die organisierten sich in Abteilungen.
China befand sich in seiner Kalenderrechnung an einer Art Zeitwende, die unserem Jahrhundertwechsel in etwa ähnelt. [a] Gerüchte verbreiteten sich über die Ankunft der neuen Zeit, an den Wänden der Häuser erschienen die Symbole des Aufstandes. Die Revoltierer hatten sich den nahenden Zeitwechsel als Start für die Erhebung ausgedacht, allein in der Hauptstadt gerieten die Anhänger, darunter der engste Vertraute des Sektenführers, ein gewisser Ma Yüan-yi in die Hände der Kaiserlichen. Ihre Ermordung führte zum vorzeitigen Beginn des Aufstandes der Gelben Turbane im Jahr 184 unserer Zeitrechnung. Auf Anhieb griffen etwa 360 000 Menschen zu den Waffen. Innerhalb von zehn Tagen waren riesige Gebiete vom Aufstand erfaßt, dessen Zentren in den Provinzen Hobee, Honan, Schandung und Hubee lagen. Die Abteilungen überfielen die Städte, töteten die Beamten, brannten die Regierungsgebäude nieder und befreiten die Gefangenen und die Sklaven. Die Getreidespeicher wurden geleert und der Besitz der Reichen unter den Rebellen verteilt. Die Kaiserlichen und die Aristokraten konnten sich nur durch Flucht retten. Als selbst die Hauptstadt Luoyang eingeschlossen wurde, verschärften sich dort die Auseinandersetzungen zwischen den Regierungsfraktionen. Die Staatsmacht war in die Hände stupider Eunuchen und der Schranzen der Kaiserinnen gefallen, die von den gelehrten Konfuzianern wegen ihrer Grausamkeiten kritisiert wurden. Man stritt über Ursachen und Bekämpfungsmöglichkeiten des Aufstandes. Da die Regierungstruppen permanent geschlagen wurden von den Einheiten der Rebellen, aktivierten die Hyperreichen aus den sog. starken Häusern ihren eigenen Militärapparat. Mit fähigeren Generälen an der Spitze gingen diese Privat-Armeen mit unglaublicher Brutalität vor, die einem Vernichtungskrieg gleich kam. Selbst Frauen und Kinder von Überläufern wurden getötet. Einer der Herren namens Huang-fu Sung ließ laut Legenden mehr als zwei Millionen Menschen niedermetzeln. Es zeigte sich, das die Rebellen in ihrer Verzweiflung besonders aufopferungsvoll kämpften. Ein ihnen gegenüber stehender General soll sich darüber so geäußert haben: ''Wenn 10 000 Menschen, die ihr Leben teuer verkaufen wollen, unbesiegbar sind, so sind 100 000 noch weniger zu besiegen.'' Nach diesem Motto wurden die Vereinigungsmärsche der Bauerntruppen verhindert und ihre Abteilungen in eine für sie ungünstige Verteidigung von Städten gezwungen. Langwierigen Belagerungen von professionellen Militäreinheiten hielten diese Bauernhaufen in den Städten jedoch nicht stand. Und so fiel auch die von Chang Chiao und seinem Bruder Chang Biao verteidigte Stadt den Elitetruppen des Generals Huang-fu Sung zum Opfer. 30 000 Rebellen sollen im Kampf gefallen sein, und 50 000 kamen bei ihrer Flucht in den umliegenden Sümpfen ums Leben. Chang Biao wurde gefangen und hingerichtet, Chang Chiao starb bereits vorher während der Kämpfe. Während die Hauptabteilung der Rebellen vernichtet war, tobten andernwärts die Kämpfe lange weiter. Noch 192 u.Z. wehrten sich 300 000 Bauern im Gebiet Shandong. Erst im Jahr 205 u.Z. gelang es einem berüchtigten Angehörigen der sogenannten starken Häuser, die letzte Abteilung der Gelben Turbane zu stellen. General Tsao tsao zerschlug die Abteilung des Anführers Yüan Tan. Splittergroppen operierten noch bis zum Jahr 208.
Man muß hinzufügen, das zu jener Zeit unabhängig von den Gelben Turbanen gleichzeitig noch viele andere Aufstände tobten. Die größte Abteilung dieser Rebellen nannte sich Schwarzer Berg und soll etwa eine Million Bauern und Stadtarme vereint haben. (L5)
Infolge dieser Wirren wurden weite Landstriche verwüstet und das Reich zerfiel in drei Teile. Im Norden und im großen Becken des Gelben Flusses regierte General Cao Cao. Ein anderer Militär namens Sun Quan bestimmte in Zentralchina und am mittleren sowie unteren Ende des Yangzi. Den Südwesten mit dem Sichuan-Becken übernahm General Liu Bei. Die Existenz der drei Teilstaaten blieb nicht von Dauer. (L1)









III. Gebrauch der Münzen
Es gibt viele für und wider, der Han-Zeit eine Ware-Geld-Wirtschaft zu zuordnen. [b]  Historiker äußern zuweilen gegensätzliche Meinungen. Manche vermuten, das eine Ware-Geld-Wirtschaft sich tatsächlich erst während der Song-Zeit herausbildete, also etwa eintausend Jahre später. Diese Vermutung trifft insofern vielleicht eher die Realität, weil sich gerade zwischen 900 und 1200 u.Z. die Mathematik wesentlich weiter entwickelt zeigte und sich darüber in China literarische Nachweise finden lassen. Abbildungen aus der Han-Dynastie zeigen uns Bergbau, Werkzeuge der Bauern, Webstühle, Schiffe u.s.w. aber keine Geldwechsler oder Münzhersteller. Es liegen vermutlich keine Darstellungen aus der Münzproduktion und keine Bilder von Geld-zählenden Menschen auf den Märkten jener Zeit vor. Bei der Vielzahl der Fürstentümer muß es eine Vielzahl an Münzprägungen gegeben haben. Es fehlen aber Umrechnungstabellen u.s.w., dagegen weisen die zeitgenössischen Messermünzen und die Hackenmünzen merkwürdige Formen auf.

Abb.2: Messermünzen und Hackenmünzen

Die alten Griechen begründeten bekannterweise die Arithmetik, bevorzugten jedoch liebevoll die Probleme der Geometrie. Im Gegensatz dazu befassten sich die Chinesen zeitgleich gern mit dem Zahlen-Rechnen. Vielleicht kam das daher, das eine besondere Praxis der Münzennutzung ihre Gedanken in diese Richtung lenkte. Für eine frühe Anwendung von Münzen spricht, das das Zählen und Rechnen im alten China wesentlich einfacher gewesen sein muß als bei den zeitgleichen Hellenen in Europa. Man rechnete mit "Stäbchen" und legte sie den Zehnerpotenzen zugeordnet aus. Ein schachbrettförmiges in den Sand gezeichnetes Feld oder vorgefertigtes Brett diente als Unterlage.[c] Das schriftliche Fixieren der Rechenwege dagegen fiel wesentlich schwerer, zumal ab Ziffer 4 weitere extra Zeichen galten. Doch mit der einfachen "Stäbchen"-Methode war ein Handel auf Märkten durchaus praktikabel. Genau wie die "Stäbchen" konnte man z.B. die Messermünzen benutzen, wobei jede Münzform zugleich einen Hinweis auf den jeweiligen Händler gab. Vorteilhaft besonders dann, wenn mehrere Partner am gleichen Handelsvorgang beteiligt waren. Damit entfielen eventuelle komplizierte Umrechnungen. Bis in das 2 Jh. v.u.Z. fehlen noch Nachweise darüber, außer jene merkwürdig geformten Münzen. Sie konnten wie Bonusmarken an einer Lederschnur getragen werden und gaben so offene Auskunft über das reale Handelspotential des betreffenden Geschäftspartners.

Das Chiu-chang suan-shu (auch: Jiu Zhang Suanshu = Neu Bücher arithmetischer Technik) ist das erste bekannte Lehrbuch der Mathematik mit neun Beispiel-Abschnitten. Die chinesische Tradition weist das Werk dem Chou Kung zu (12. Jh. v.u.Z.) oder dem legendären Gelben Kaiser  (3. Jahrtausend v.u.Z.).  Sein ältester bekannter Text ist über tausend Jahre jünger und wurde von Liu Hui im Jahr 263 u.Z. geschrieben und kommentiert. Dessen Bericht geht davon aus, das das Buch in der frühen Han-Zeit von Chang Tsang (162-142 v.u.Z.) nach alten Vorlagen verfasst und von Keng Shou-chang (75-49 v.u.Z.) überarbeitet wurde. Liu Hui befaßte sich also mit genau genommen dreihundert Jahre alten Texten, die hundert Jahre zuvor zum letzten mal geändert wurden. Der erste Druck erfolgte sogar erst im Jahr 1084 u.Z. also noch einmal rund 700 Jahre später nach Liu Hui. (L3)
Von den neun Kapiteln beinhalten viele die Flächenmessungen, eins die Volumenverhältnisse von fester und lockerer Erde, und fünf bestimmte Volumenberechnungen. Es gibt Dreisätze für Tauschverhältnisse von Einheiten verschiedener Früchte und Getreidesorten, Arbeitskräftezuordnungen und Proportionsaufgaben. Eine einzige Aufgabe vergleicht Garben guter, mittlerer und schlechter Ernte und ordnet ihnen Beträge in Tou zu, das als Geld interpretiert werden könnte. [d]
Eine alte Darstellung, die einen chinesischen Rechenmeister beim Unterricht zeigt, wurde 1593 veröffentlicht in einem Druck, der das Kugelrechenbrett (⇒ suan pan) erläutert. (L4) Das chinesische Geldrechnen wird also in europäischer Rezeption genau zu jener Zeit dargestellt, als sich die sogenannte Preisrevolution vollzog.
Die zeitlichen Einordnungen von Geldbestimmungen bleiben gewiß ein Thema der Historiker. Das technische Problem der Münzherstellung wird deutlicher, weil die Kaiser um die Zeitrechnungswende in China für etwa 60 Millionen Menschen hätten Münzen bereit stellen müssen, wollte man durchgehende Ware-Geld-Beziehungen in der Gesellschaft erreichen. Von größerer Bedeutung für weitere Untersuchungen scheint jedoch ein anderer Zusammenhang zu sein. Mit der Entstehung des Geldes oder dem historischen Erreichen neuer Qualitäten in der Geldwirtschaft gehen offenbar immer große soziale Umschichtungen einher, die sich zu so derben Spannungen in der Gesellschaft aufbauen, das sie sich in schweren Verteilungskämpfen gewissermaßen entladen. Das bitterste soziale Elend als Massenerscheinung ist beständiger Begleiter solcher Entwicklungen, wie auch an den historischen Kämpfen der (zu allen Zeiten arbeitsamen) Bauern zu sehen ist.


Fußnoten:

[a] In Europa vergleichbar beispielsweise mit der Weltuntergangsstimmung um 1500.

[b] Anhand von Münzfunden hat sich die Ansicht durchgesetzt, das eine einfache Geldwirtschaft bereits im 6. Jahrhundert v.u.Z. einsetzte. Das sollen die chinesischen Münzfunde aus der Qin-Zeit, aber auch der 1904 in Ägypten entdeckte Silberfund (datiert mit dem 6. Jh. v.u.Z.) belegen. Man vermutet ein nahezu gleichzeitiges Erscheinen des Metallgeldes im 6. Jh. v.u.Z. in Asien (China) und bei Mittelmeeranreinern, besonders in Griechenland.
Ein im Jahr 1900 entdeckter großer Münzschatz von c.a. 10 000 Silbermünzen stammt aus dem Islamischen Jahr 204 (= 819 u.Z.). Der 1899 gehobene Brakteatenfund in Brandenburg von 600 Blechmünzen, darunter auch halbierte Stücke, umfasste vermutlich das Vermögen eines Ackerbürgers in der Mitte des 13. Jahrhunderts.

[c] Es wurde ein Zehner-System ohne Null aber mit Leerstelle genutzt. Dazu diente ein Schachbrettmuster. Falls eine Zehnerpotenz (z.B. bei 602) ausfiel, blieb das zweite Feld leer. Im Einerfeld lagen 2 Stäbchen und im Hunderter 6 u.s.w. Ein einfaches Auszählen der Stäbchen gestattete alle vier Grundrechenarten. Eine Darstellung der Rechenfläche entstammt aber aus einer viele Jahrhunderte späteren Zeit.

[d] Kung Tou ist ein Getreidemaß in China: 1 Kung Tou = 10 Liter






v.u.Z. = vor unserer Zeitrechnung
(= v.Chr.)
u.Z. = unsere Zeitrechnung
IV. Zeitangaben
Jahresangaben Reihenfolge der Dynastien
778 v.u.Z.
bis
207 v.u.Z.

Qin-Dynastie
Im Jahr 209 fand vermutlich der erste bedeutende Bauernaufstand in der Chinesischen Geschichte statt. (L2 S.195) Die Anführer hießen Chen Sheng und Wu Guang. Unter der Qin-Dynastie lasteten auf den Bauern außerordentlich hohe Abgaben, etwa zwei Drittel der Ernte. Dazu kamen Pflichtarbeiten und Militärleistungen. 700 000 Menschen mußten am Mausoleum für Qin Shi-huang-di arbeiten. Es ist heute durch seine Terrakotta-Armee bekannt.

Es wird vermutet, das im  6. Jhd. v.u.Z.  die ersten Metallmünzen aufkamen.
206 v.u.Z.
bis
9 u.Z.
Frühe (Westliche) Han-Dynastie
9
bis
23

Xin-Dynastie    [xin = die Neue]
Herrschaft des Usurpators Wang Mang. Ende der Dynastie der Westlichen Han.
Wang Mang bestieg den Kaiserthron mit dem utopischen Ziel, die ökonomischen und politischen Verhältnisse der Zhou-Periode zu restaurieren. Sein Reformprogramm umfasste: Verstaatlichung des Bodens, Landvergabe an die Bauern, Verbot des Landverkaufs, Verbot des Sklavenhandels, Geldreform und Preisregulierung (?).
Der Verlust der Oberherrschaft in Zentralasien zählt zu den außenpolitischen Niederlagen.
(L1 S.83, L2 S.196)

23
bis
220 u.Z.
Späte (Östliche) Han Seit dem 1. Jhd. regulärer Seehandel zwischen Han-China und Indien.
..........
960 bis 1279 Song-Dynastie
Daten zum Aufstand der Roten Augenbrauen
13 u.Z. Bauernaufstand in der Provin Schandung, von der Regierung niedergeschlagen. (L5 S.532)
17 u.Z. Die Bauernarmee der Grünen Wälder beginnt ihre Kämpfe gegen die Anhänger des Usurpators Wang Mang. Ihre Anführer: Wang Kuang und Wang Feng. Ihr schließen sich Adlige aus dem Kaiserhaus an.
18 u.Z. Aufstand der Roten Augenbrauen beginnt in Schandung unter dem Anführer Fang Chun.
23 u.Z. Die Roten Augenbrauen rücken auf die Hauptstadt Changan vor.
In der Stadt wird der Usurpator Wang Mang getötet. Ein Abkömmling der Lju wird zum Kaiser ausgerufen (Göngsch = Keng-shih).(L5 S.533)
25 u.Z. Die Hauptstadt Changan wird von den Roten Augenbrauen erobert. Keng-shih wird getötet. Der Prinz Liu Hsiu (= Lju Ssju) wird zum Kaiser ausgerufen, trennt sich von den Aufständischen und verlegt die Haupstadt nach Luoyang. Er stellt ein eigenens Heer auf und belagert nun seinerseits die Roten Augenbrauen.
27 u.Z. Die Roten Augenbrauen werden von Liu Hsiu mehrmals in Honan geschlagen.(L5 S.533)
29 u.Z. In der Entscheidungsschlacht in der Stadt Ljang (Yiyang, zwischen Changan und Lojang) kann Liu Hsiu die Roten Augenbrauen schlagen. Seine Deklarationen über die Freilassung von Sklaven, über die Ungültigkeit der Erlasse des Wang Mang und über Steuererleichterungen führen dazu, das sich die Reihen der Aufständischen auflösen.(L5 S.533-534)
..........
Daten zum Aufstand der Gelben Turbane
107 Eine lange Zeit mit Bauernaufstände in verschiedenen Landesteilen beginnt.
184 Beginn des Aufstandes der Gelben Turbane
192 300 000 Bauern der Gelben Turbane leisten noch Widerstand im Gebiet Shandong.
205 Es gelingt einem berüchtigten Angehörigen der sogenannten Starken Häuser, die letzte Abteilung der Gelben Turbane zu stellen. General Tsao tsao zerschlägt die Abteilung des Anführers Yüan Tan.
208 Letzte Splittergruppen der Gelben Turbane





Namen V. Zeitgenossen
Namen aus der Zeit der Armee der Roten Augenbrauen
Fan Chung (= Fan Chong = Fan Chun = Fan Tschung) Anführer der Roten Augenbrauen, Bauer (L5 S.532), siehe auch: Wiki unter Fan Chong
Guang-wu-di (Liu Hsiu = Liu Xiu = Han Guangwu di = Kuang-wu = Kaiser Guangwu). Nachkomme des Kaisers Ching (156-141), unterdrückte den Aufstand der Roten Augenbrauen. Liu Hsiu setzte sich an die Spitze eines Parallel-Aufstandes Er erneuerte die Han-Dynastie durch seine Kaiserproklamation im Jahre 25, historisch als Kaiser Kuang-wu (25-57) bekannt. (L1 S. 84)     ⇒ Wikipedia
Liu Xin Konfuzianischer Gelehrter, politischer Freund des Wang Mang. (L1 S. 83)Liu Xin
Wang Mang Usurpator. (L1 S. 83)
Wang Kuang Anführer der Armee der Grünen Wälder. (Lülin-Armee (?)). Soll zeitweise auch gegen die Aufständischen gekämpft haben, sogar mit besonderer Grausamkeit. (prüfen!) ⇒ Wiki
Wang Feng Anführer der Armee der Grünen Wälder. (Lülin-Armee (?)) ⇒ Wiki
Namen aus der Zeit der Gelben Turbane
Chang Chiao (=Dsang Djau; = ⇒ Zhang Jiao) Gründer einer dauistischen Geheimsekte, Arzt, predigte die Lehre vom »Taipingdau« [Tai-ping tao = Weg zur großen Gleichheit; auch: Lehre vom Frieden], die eine Zeit des glücklichen Lebens ankündigte. Die Ungerechtigkeit sollte zu Ende sein, der Blaue Himmel als Inkarnation der Gewalt sollte dem Strahlenden (gelben) Himmel als Zeitalter des Glücks weichen.
Chang Biao (= ⇒ Zhang Bao, Bruder des Chang Chiao und Anführer einer Einheit der Gelben Turbane. Soll sich nach den Niederlagen der Bauern in die Berge als Räuber verborgen haben und später von den eigenen Leuten getötet worden sein.



VI. Begriffe
Changan (auch:Chang'an; Tschangan) Hauptstadt der Han, später nach ⇒ Luoyang verlegt.
imperial-chinese-cities
Chiu-chang suan-shu (auch: Jiu Zhang Suanshu) = Neu Bücher arithmetischer Technik. Frühstes Lehrbuch der Mathematik mit 9 Aufgaben. Die chinesische Tradition weist das Werk dem Chou Kung zu (12. Jh. v.u.Z.) oder dem legendären Gelben Kaiser (3, Jahrtausend v.u.Z.). Der älteste bekannte Text ist aber von 263 u.Z. und kommentiert von Liu Hui.
Konfuzianismus Lehre des Meisters Qiu Kong, (Konfuzius 551 - 479 v.u.Z.), die Chinesen stellen den Konfuzianismus neben die Religionen Taoismus und Budhismus, obwohl er nicht eigentlich eine Religion ist sondern eine Sittenlehre.
Taoismus chinesische Volksreligion.
Unterstützte die Herausbildung verschiedenster Geheimbünde und Sekten, z.B. die Gelben Turbane, die Fünf-Scheffel-Reis-Sekte, die Roten Augenbrauen und die Taiping. (L1 S.103)




VII. Quellenangaben Literatur Links
(L1) Otto Ladstätter, Sepp Linhart, China und Japan - Die Kulturen Ostasiens, Wien 1983 S.106
(L2) Weltgeschichte in Daten, Deutscher verlag der Wissenschaften Berlin 1965 S. 195,
(L3) Helmuth Gericke, Mathematik in Antike, Orient und Abendland, Wiesbaden 2003 S.173-178
(L4) Georges Ifrah, Universalgeschichte der Zahlen, Frankfurt a.M. New York 1991 S.149, 156
(L5) I.M. Shukow, S.L. Uttschenko, A.J. Pawlowskaja, Weltgeschichte Bd.2 , Berlin 1962 S.532, 554 ff
(L6) Renée Violet, Einführung in die Kunst Chinas, Leipzig 1981 30, 82, 200
--- Walter Böttger, Kultur im Alten China, Leipzig Jena Berlin 1979
(K1) Karte 1: H. Lorenz nach einer Vorlage aus: I.M. Shukow, S.L. Uttschenko, A.J. Pawlowskaja, Weltgeschichte Bd.2 , Berlin 1962 S.512
(K2) Karte 2: I.M. Shukow, S.L. Uttschenko, A.J. Pawlowskaja, Weltgeschichte Bd.2 , Berlin 1962 S.512
(Abb. 1) Ziegelrelief aus einem Grabgewölbe der Han-Periode (1. Jahrhundert u.Z.) nach einer Vorlage aus I.M. Shukow, S.L. Uttschenko, A.J. Pawlowskaja, Weltgeschichte Bd.2 , Berlin 1962 S.506
 (Abb. 2)  Messermünzen und Hackenmünzen, H.H. Lorenz
(Abb. 3) Pflügender Bauer, Steinrelief aus Han-Bestattungen, um 100 u.Z., nach einer Vorlage aus I.M. Shukow, S.L. Uttschenko, A.J. Pawlowskaja, Weltgeschichte Bd.2 , Berlin 1962 S.505

Hinweis: Es wurden unterschiedliche Transkriptionen der Chinesischen Namen und Bezeichnungen verwendet, je nach Quellenlage.

Bauernkriege in 23 Jahrhunderten globale Zeittafel Bauernrevolten in Asien Bauernrevolten in Afrika Bauernrevolten in Europa Bauernrevolten in Amerika Revolten in Australien Impressum Quellen
Notizen zum Aufstand der Bauern in China (Han-Dynastie)  •  © Hans Holger Lorenz  •  beg. 2006  •  Stand: 28.09.2016  •  WB To