Bauernunruhen in der Lausitz
1790 bis 1794




Bäuerliche Klassenkämpfe in der Lausitz 1790 bis 1794 (1)



Die Kunde über das revolutionäre Aufbegehren in Frankreich drang auch bis in die sorbische Städte und Dörfer. Der Anführer einer Bauernrevolte, Jan Cuska verkündete seine Hoffnungen so:

"Das wird genau wie in Frankreich, und bei so einem Aufruhr kann es passieren, daß keine Herrschaften und keine Herren mehr übrig bleiben."(2)

Seit den Bauernkämpfen um Uckro um 1548 und im Gebiet Cottbus 1715 hatten die Unruhen in den sorbischen Dörfern nicht mehr solche Stärke erreicht wie 1790.
Forderungen nach Beseitigung der Frondienste und für die freie Entwicklung der Bauernschaft beherrschten die Wünsche der Bevölkerung, die die Hungerjahre von 1771 und 1772 nicht vergessen hatte und deren Elend sich 1789 und 1790 sich gerade wiederholte. Schlimme Mißernten kamen wieder über die Bauern und die sozialen Spannungen stiegen ins unerträgliche. Genau in diese Situation hinein gelangten die Nachrichten über die Aufstände in Frankreich, die ja genau aus den gleichen Ursachen heraus ausbrachen und deren Kunde sich schnell über Europa verbreitete.
Anfang August 1789 hatten die französischen Standesgenossen in der Nationalversammlung die Beseitigung des Kirchenzehnts und die Abschaffung der Frondienste erzwungen. Die Meldungen darüber hatten bereits zu lokalen Bauernerhebungen in Gebieten Westdeutschlands geführt. Nun gelangten auch Zeitungen und Flugblätter in die sorbischen Stuben der Armut und nicht wenige Gerüchte. Damit steigerte sich die Unruhe von Tag zu Tag.

Im Winter 1789/1790 war es soweit: die Untertanen der Herrschaften Leuthen, Lieberose, Straupitz und der Ämter Lübben und Neu Zauche taten sich zusammen. Bauern aus etwa sechzig Dörfern im Unteren Spreewald und um den Schwielochsee im Norden der Niederlausitz stellten Forderungen auf! Diese orientierten sich zwar an französischen Vorbildern, waren jedoch sehr klug auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten:

    Aufhebung der Abgaben
    keine täglichen Frondienste mehr
    Abschaffung der Zeitpacht
    Überlassung der Güter in Erbpacht

Es ist hochinteressant, zu sehen, wie die Bauern ihre schwächsten Punkte wahrzunehmen wußten! Tägliche Frondienste und Zeitpacht stellten die größten sozialen Gefahren für sie dar, wie sich später in den sogenannten Reformen von 1807 bis 1811 noch herausstellen sollte.
An der Spitz der Bewegungen standen recht wohlhabende Bauern, aber eben immer noch Bauern, die wußten, was sie zu verlieren hatten. Deren Argumentationen liefen darauf hinaus, das "ihr Gesinde" nicht mehr gewillt war, Hofdienste bei den Herrschaften machen zu wollen. Aus "bedrohlichen Reden" in Bierschänken wurden Kurrierdienste und geheime Zusammenkünfte. Das betraf Jessern und andere Orte der Herrschaft Lieberose, Lübben und Dörfer der Herrschaft Leuthen. Führende Köpfe waren die Gerichtsschulzen (!) Hanso Boris (Guhlen) und Fryco Lejnik (Dollgen) sowie die Gerichtsschöffen Hanso Kurt (Dollgen) und Kito Krol (Groß Leuthen).(3)
Das ganze 18.Jahrhundert hindurch hatten die Dorfbewohner die ihnen gering verbliebenen Rechte verteidigen müssen. Auch die Tatsache, das immer ein schwelender Widerstand herrschte gegen eine bewußt hervorgehobene Germanisierung der Sprache in Kirche und Schule, half den heimlichen Zusammenkünften. Folgerichtig mußte die Verhaftung einiger Verschwörer beim Treffen in Jessen den Kampfesmut der Bauern eher stärken als schwächen! So folgten weitere Versammlungen in Guhlen, die Delegationen nach Berlin entsandten. Dort hatten die Abordnungen Verhandlungen mit den Besitzern zu führen, in deren Mittelpunkt die Übertragung der Güter an die Untertanen stand. Die Gespräche scheiterten durch die Hinhaltetaktik der Herrschaft. Gleichzeitig distanzierte sich ein Gerichtsschulze (Hanso Krygar aus Groß Leuthen) von den Revoltierenden und denunzierte einige Anführer.
Als ihre ersten Vorstöße scheiterten, wußten die Bauern ihre Taktik geschickt zu ändern. Sie stellten ihre (berechtigten!) Erbpachtforderungen zurück und beschlossen auf einer Gemeindeversammlung ("gromada") in Dollgen Anfang Juni die Dienstleistungen völlig einzustellen. Die Pächter sollten mit dem Hinweis darauf, wie es den Pächtern in Frankreich ergangen sei, fortgejagt werden. Kein Bauer sollte sich noch zu etwas zwingen lassen.

Im September wurde der Bauernaufstand in Kursachsen niedergeworfen. Anfang August 1790 ausgebrochen, verbreitete er sich rasch über ein Gebiet von fünftausend Quadratkilometern mit dem Zentrum um Meißen-Lommatsch. Ende August beherrschten die Aufständischen ihre Gebiete. Die Rebellion fand jedoch in den Städten nur geringen Widerhall und wurde daher mit Armeeeinheiten unterdrückt.
Gleichzeitig mit dem sächsischen Aufstand begannen die Bauernunruhen in der Oberlausitz. So heißt es am 17.Juli in einem Aufruf aus Pulsnitz:

"laßt uns Mut fassen, herrschaftliche Dienste und Zwang aufsagen, weil mir so lange mir gehen, dieser Zwang nicht aufhöret".(4)

Hofdienstverweigerungen verbreiteten sich auf Ohorn, Obersteina, Bretnig und Hauswalde. Etwa 600 Bauern aus den Spreedörfern um Lohsa stürmten am 3.August die Herrschaft auf Kauppa, Göbeln und Leichnam. Sie forderten die unverzügliche Abstellung der Spreewasserableitung. Wenige Tage später zogen Hunderte Bauern aus den Dörfern der Muskauer Herrschaft nach Reichwalde und zerstörten dort Wassergräben und Wehre. Am 29.August versammelten sich die Bauern der Dörfer Lindenau, Burkersdorf und Tettau unter der Losung "Rebellion" auf dem Gutshof und erklärten, daß sie keine Frondienste mehr leisten würden. Diese Form des Wiederstandes nutzten auch die Landleute von Steinborn, Schmorkau und aus weitren Gemeinden der Herrschaft Königsbrück. Dem schlossen sich etwa 20 Dörfer der westlichen Oberlausitz an, darunter Detschbaselitz und Piskowitz.
Für diese Bauernrevolten in allen o.g. Dörfern und Gegenden ist markant, das protestantische und katholische "Untertanen", sorbische und deutsche Leibeigene und Bauern die gleichen sozialen Forderungen stellten und die gleichen Rechte verteidigten. Dieses keinesfalls idealistisch gefärbte Vorgehen stürzte den Landtag des Markgrafentums Oberlausitz in "dringenste und empfindlichste Besorgnisse" .(5) Das Zusammengehen von unterschiedlichen religiösen und nationalen ländlichen Bevölkerungsgruppen ist aber ein tatsächliches Merkmal von echten Bauernkämpfen und Bauernkriegen, wie sich auch 1789/1790 in der Lausitz zeigte. Vor diesen Gemeinsamkeiten haben alle Herrschenden Angst und es ist deswegen immer ihr Ziel, die Unterschichten in verschiedenste religiöse oder nationale oder sonstwelche Sektionen zu spalten.
Im Spätherbst gelang es großem militärischem Aufgebot, die Unruhen zu unterdrücken. Der Kurfürst verkündete im Januar 1791 ein strenges "Mandat wider Tumult und Aufruhr", das in deutscher und wendischer Sprache von den Kirchenkanzeln zu verlesen war. Zuchthaus und Festungsbau, körperliche Züchtigungen und Todesstrafen wie z.B. Rädern (1791!) wurde den Rebellen über die Stimmen der christlichen Priester angekündigt. Heimliche Versammlungen, Schmähschriften und öffentliche Kritik wurden verboten. Natürlich konnte man so die wirklichen Ursachen der Bauernrebellionen nicht beseitigen.
Da war der Bautzener katholische Bischof Franc Jurij Lok viel realistischer mit seiner Erkenntnis, als er noch vor Ausbruch der Ereignisse schrieb:

"Nach meiner Meinung wird zu Teuerung und Hungersnot endlich noch die Verzweiflung hinzukommen,
welche die Völker aufregen wird, sich ihre Quäler und Blutsauger vom Halse zu schaffen..."
(6)

Die Unruhen schwächten sich zunächst ab. 1791 gab es noch Tumulte in Teichnitz sowie in den Dörfern Nostiz und Spittel. In Rothnaußlitz kursierte Aufstandsagitation. 1794 wurde sogar die Kanzlei der Standesherrschaft Sorau von aufgeregten Bauern erstürmt aus Protest gegen die zunehmenden Einschränkungen ihrer Rechte.

In den Jahren 1793/94 gelangten die Nachrichten aus Frankreich häufiger in die Lausitz. Die in der Jakobinerdiktatur beschlossenen Agrargesetze und das "Dekret über die vollständige und entschädigungslose Abschaffung der Feudalrechte" (17.7.1793)(7) fanden nicht nur in Frankreich ihren Widerhall. "Jetzt, am 17.Juli 1793, hörte das Gesetz in Frankreich auf, die Rechte des Feudalherren, die leibeigene Abhängigkeit des Menschen von einem anderen Menschen, anzuerkennen."(8)

Es ist schon absonderlich, wie die Herrschenden in der Lausitz ihre Situation verkannten, da sie die Unruhen einigermaßen eingedämmt glaubten. Die Regierung beschloß, den kirchlichen Feiertag Mariä Verkündung (25.März) von einem Wochentag auf einen Sonntag zu verlegen. Das hatte seinen Grund darin, das die Herren sonst auf einen Tag Frondienstgewinn verzichten mußten, was sie in ihrer naturgemäßen Habgier nicht wollten.
An diesem Feiertag der Mariä Verkündung sollte also Frondienst geleistet werden, sehr katholisch waren die Besitzenden da wohl nicht.
Der Widerstand entwickelte sich bereits nach Verlesung der Anordnung von den Kanzeln, und das war im Februar. Die Markttage in Wittichenau und in Reichwalde wurden von den Bauern genutzt für Agitation und Vorbereitung.
Am 25.März erzwangen die Bauern den Zutritt zur Kirche und zum Gottesdienst. Im niederlausitzischen Stargard der Standesherrschaft Amtitz versammelten sich die Landleute auf dem Friedhof um die verschlossene Kirche herum und lasen anstelle des flüchtigen Pfarrers selbst aus der Heiligen Schrift.
In Königswartha wollte man lieber die Kirchentür mit Äxten einschlagen, besann sich dann aber eines besseren. So erzwangen die Leute eine Schlüsselübergabe und zogen ihren widerspenstigen Kirchenmann mit hinein zum Gebet. Sich auf ihn aber nicht verlassend, leuteten sie selbst zum Gottesdienst und verrichteten ihn in eigener Regie.(9)
Solch ein kämpferischer Gottesdienst fand auch in Klix statt. In Lohsa hielten die Leute ihren Geistlichen so unter Kontrolle, das er den ordnungsgemäßen Kirchentag auch ordnungsgemäß durchführen mußte. Desgleichen geschah in Gröditz, Nostitz, Malschwitz, Hochkirch, Cunewalde und anderswo. Tausende Bauern waren an dieser Aktion beteiligt, eine der menschlichsten für Mariä Verkündung in dieser Landschaft. Die Oberamtsregierung von Bautzen selbst kam zu dem Entschluß, künftig von einer Vermehrung der Frondienste durch "Verlegung" des Hochfestes für Mariä Verkündigung abzusehen.

Ein gewisser Gutsherr auf Lohsa schien die Regeln für kirchliche Hochfeste nun garnicht zu kennen und drohte den Glockenläutern vom 25.März mit Verhaftung. Es waren ihrer ganze sechs und sie sollten auf seinem Hof demütigende Abbitte leisten. Statt dessen erschienen am 29.Juli Hunderte mit Knüppeln Bewaffnete und lehrten diesem Herrn das Beten. Sie kamen aus den Dörfern Litschen, Driewitz, Weißkollm, Ratzen, Lippen und Tiegling. Ihre Anführer waren der Zimmermann Jan Cuska und der Häuslert Jan Tunka aus Weißkollm und der Häusler Michal Barc aus Driewitz. Kurzerhand stürmte die Menge das Herrenhaus, mußte aber dann doch in die Felder ausschwärmen, um den geflüchteten Gutsherren von Muschwitz einfangen zu können. Die Menge schleppte "diesen dicken Racker" unter Sclägen und Drohungen "Schmeißt doch den Hund tot!" (9) auf den Herrenhof zurück. Dort verprügelten an die 2000 Rebellen auch den Gerichtsdiener und plünderten das Schloß. Man schrie dabei:

"Es ist und soll hier werden wie in Frankreich; alle Edelleute müssen fortgeschafft werden!"(10)

Nach dem v.Muschwitz ängstlich versprach, den Gottesdienst der Bauern nicht strafrechtlich verfolgen zu lassen, marschierten die Aufrührer ins benachbarte Driewitz und wiederholten ihre Lehrunterweisung für die Herrschaft auf dem dortigen Gutshof.

Horst Slosar: Rebell Jan Cuska (11)

Prozeßakte gegen die Anführer des Lohsaer Aufstandes von 1794 (11)
Die Reaktion der Regierung war zunächst Hinhaltetaktik. Während dieser Tage verstärkte man jedoch die Militärgarnision in Hoyerswerder. Am 11.August wurden die Dragoner nach Lohsa geschickt. Der mutige Verteidigungsversuch der Bewohner von Driewitz mußte angesichts der militärischen Übermacht scheitern. 25 Bauern wurden zu Zuchthaus und Festungshaft verurteilt. Die Kavallerie blieb bis Oktober im Unruhegebiet stationiert und auf den Bauernhöfen einquartiert.

Historisch interessant ist heute, wie die Herrschenden nach Niederschlagung der Revolte wieder mittelalterliche Strafen einführen wollten. Die Strafe des öffentlichen Auspeitschens und das Spießrutenlaufen sollten bei geringster Widersetzlichkeit angewendet werden. Festungshaft und das Zuchthaus genügten als Strafen nicht, denn die Bauern waren nach Ansicht ihrer Herren so "geringe Kost und schwere Arbeit gewöhnt"!

Die letzten bäuerlichen Unruhen wurden 1799/1800 im Herrschaftsbereich des oberlausitzischen Klosters Marienthal durch Militärkommandos unterdrückt. Danach wurden die Rechte der Untertanen an der Waldnutzung aufgehoben.

In einem zeitgenössischen Gutsherren-Text heißt es:

"...ich wüßte in der Tat für einen, der sein Geld gerne in Landgüter verwenden will, keinen bequemeren Platz als die Oberlausitz, ... vorteilhaftere sichere Benutzung der Kapitalien findet man ... nicht leicht in anderen Ländern für Grundbesitzer." (12)

Quellen und Literaturangaben

Chronik der Sorben und Wenden
Herzlichen Dank
an die Stadtbibliothek
von Lübbenau
für die
freundliche Unterstützung!















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z.B. in:   Die Bauernrevolte von Nassau 1848
Forderungen nach Abschaffung mancher drückenden Abgaben, als:
der Binnenzölle, der Schifffahrtsabgaben, Zehnten, Chausseegelder...

PDF-Version v. 28.Januar 2007

(Notizen zu Bauernaufständen / Hans Holger Lorenz / 28.September 2007 / HLorenz500@aol.com)