Martin Luther versus Fugger
Notizen zum Zinsverbot in der Frühen Neuzeit

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Modernen Autoren der Gegenwart beschreiben die scholastischen Ergebnisse der Schule von Salamanca (Anfang 16. Jahrhundert) mit den schönen Worten von natürlichen Rechten, menschlicher Würde, Meinungsfreiheit, Gerechtigkeit usw. Der hier zu betrachtende Aspekt dieser iberischen Scholastik betrifft eine Frage, die 1517 (!) in Antwerpen aufgeworfen wurde: Darf ein Handel mit dem Ziel wachsenden privaten Reichtums getrieben werden? Die Frage war zeitgemäß, denn europaweit vollzog sich ein Prozeß, der anfangs unterschwellig, später mit gröbster Gewalt eine neue Art der Geldwirtschaft Realität werden ließ. Die einfachen Warenbeziehungen wurden seit dem 12. Jahrhundert langsam von Ware-Geld-Beziehungen abgelöst, die sich zweihundert Jahre später zu Geld-Arbeit-Ware-Geld-Beziehungen entfalteten. [1] Zu Beginn betraf das nur einzelne Zentren vornehmlich im Süden Europas. Seit dem 16. Jahrhundert weitete sich jedoch die Sache mit den zur Verfügung stehenden Erzmengen (Au, Ag, Cu) wellenartig aus, und als die Scholastiker sich mit theoretischen Fragen dieses Phänomens zu beschäftigen begannen, lief die Suche nach neuen Edelmetallvorkommen weltweit bereits auf Hochtouren.
Eine ziemliche unkritische Betrachtungsweise vieler Historiker ignoriert den Stand des Monetarisierungsprozesses jener Zeit. Nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung lebten in Städten, also jenen Bereichen, die auf die Zufuhr von Nahrungsmitteln und Energie von außen angewiesen waren. Der weitaus größte Teil der Bevölkerung, also Bauern, trieb keinen Fernhandel. So diente auch der größte Anteil des Agrarprodukts der Selbstversorgung auf dem Land und erreichte nicht einmal die städtischen Märkte. Die Gesellschaft war also noch keineswegs mit Münzen durchmonetarisiert. Dieser Prozeß vollzog sich gerade in Richtung einer vollständigen Durchmonetarisierung. In der Historie erscheint aber oft das im Stadtleben verwendete Geld mit seinen Formen Münzen, Renten, Darlehen, Handelsbriefe usw., weil die Geschichtsforscher das politische Geschehen in den Städten wesentlich stärker interessierte und hier die meisten schriftlichen Überliefungen zu finden waren. Das tatsächlich münzarme Leben auf dem Land fand viel ausgebreiteter und dauerhafter statt und war deswegen doch nicht langweiliger oder aktionslos. Auch in den Dörfern lebten und arbeiteten die Menschen, es gab Geburt und Tod, Liebe und Verat, Glück und Unglück, Krankheit und Unwetter.... Es klingt eine ziemliche Eintönigkeit aus jener seit der Frühen Neuzeit ewig widerholten Phrase, das Geld die Welt schon immer regierte. Es sei hier nur daran erinnert, das die Mehrzahl der Abgaben an die Feudalherren tatsächlich noch weitestgehend in Naturalform erfolgte. Aber jetzt gesellte sich zu den Härten des Lebens eine neue Misere hinzu: das Geld, Geld in (unsicherer!) Münzform.

Selbstverständlich stolperten die Theologen in ihren Studierstuben zuerst über das Problem des Rechts auf Privateigentum. Warum eigentlich? Kein Bauer jener Zeit hat den Privatbesitz in Frage gestellt. Theologisch spitzfindiger wurde es dagegen, als man aus diesem einfachen Recht auch das Recht heraus konstruierte, aus den Vorteilen dieses Privatbesitzes wiederum zu profitieren und weiteren Privatbesitz zu erringen. Erringen hat vielleicht mit Arbeit zu tun, und sogar das würden Landleute akzeptieren. Wenn aus Erringen durch Arbeit aber Anhäufen ohne Arbeit wird, gerät manches fragwürdig. [2] Diese Fragwürdigkeiten wollte die Kirche einst umgehen, indem sie Zinsen schlicht verbot. Aber die Kirchenfürsten der Frühen Neuzeit waren inzwischen selbst zu sehr reichen Leuten geworden und benötigten dringend eine theologische Untermauerung ihrer neuen nun offensichtlich gewordenen Habgier. Dem widmeten sich vorwiegend Dominikanermönche und die Jesuiten in Spanien, aber auch Theologen in Frankreich und nicht zuletzt die Humanisten in den deutschen Landen.
Der vielleicht erste Mann, der den Zusammemhang zwischen der steigenden Menge der Edelmetalle und den Preissteigerungen der Waren erkannte, war der Staatstheoretiker Jean Bodin mit seiner Schrift Die Antwort des J. Bodin auf die Paradoxien der Herr Malestroit 1568. Dem Pragmatiker wollte es nicht erklährlich sein, das bestimmte Produkte zwar zueinander wertgleich blieben, sich aber im Verhältnis zum Münzgeld veränderten. Und der kluge Kopf ging noch einen Schritt weiter, er betrachtete dabei zugleich die Monopole, die Getreideausfuhren und schließlich den Luxusbedarf der Reichen. Seine auf Frankreich eingegrenzten Überlegungen waren das erste analytische Erstaunen über eine Inflation, genau genommen über die tatsächlich europaweit stattfindende später sogenannte → Preisrevolution. Die Wissenschaft Ökonomie machte Bodin dann zum Vorläufer der Geldmengentheorie. Nun ja - er hatte auch Bücher über Hexerei geschrieben.

In den deutschen Landen stritten sich die besten Vertreter der neuen bürgerlichen Intelligenz bis in die erste Hälfte des Jahrhunderts um Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Zins und Zinseszins. Kaiserliche Räte und Universitätsprofessoren stellten im Gegensatz zu vielen kirchlichen Propagandisten den Eigennutz immer noch an den Pranger. Publikumswirksames Beispiel gab der kaiserlicher Rat → Sebastian Brandt: "Die Wucher treiben wild Gewerbe, zu Armen sind sie rauh und herbe, ohn Mitleid, ob die Welt verderbe." Der Zusammenhang zwischen pekuinärer Bereicherung und Verarmung der Übrigen in der Welt wurde somit allgemein publiziert! Einen mutigen Schritt weiter ging der wortgewaltige Luther, als er 1520 forderte, den habgierigsten Kaufleuten einen Zaum ins Maul zu legen:

Aus der Lutherschrift An den christlichen Adel deutscher Nation um 1520



Moderne Historiker zitieren das gern derart, als erschiene dem Luther es nur fälschlicherweise so, das das maximale Gewinnstreben solcher Gesellschaften mit Gemeinnutzen und Gerechtigkeit nicht vereinbar wären. Der heutige Leser möge glauben, der Reformator befände sich damit in einem grundsätzlichen Irrtum. Doch Luther war viel weitsichtiger als viele seiner Zeitgenossen:



Aus der Lutherschrift An den christlichen Adel deutscher Nation um 1520



Öffentlich ging es um den verlogenen Ablaßhandel, im Kern jedoch war das kanonische Zinsverbot der Streitpunkt, der zu Beginn der Reformation tatsächlich breit diskutiert wurde. Die kirchlichen Reformer bestanden auf einer strikteren Beibehaltung und Durchsetzung des Verbots. Aber in der Kirche selbst war der Umgang mit Krediten bereits zur Normalität geworden. Der Brixener Bischof Melchior, der aus welchen Gründen auch immer von den Historikern zu den Humanisten gezählt wird, hielt nicht nur für den künftigen Kaiser Maximilian Geldbeträge bereit, er gilt auch als einer der ersten großen Kreditgeber für die Fugger. 1496 legte dieser Fürstbischof Gelder für beträchtliche Zinsen bei den Augsburgern an. Er war damit kein Teilhaber sondern der Einnehmer der Gewinne von verzinsten Einlagen. (L1 S.79) Ein neues Geschäftsfeld tat sich hier auf! Umgekehrt hatte der Erzbischof von Mainz Uriel von Gemmingen bei den Fuggern Darlehen von 21 000 rheinischen Gulden aufgenommen. Im Zeitraum von 1495 bis 1520 wirkte das Bankhaus Fugger in 88 Fällen zur Konfirmation der Bischöfe bei der Überweisung der Servitiengelder mit, das betraf Kirchenobere in den deutschen Landen, in Ungarn, Polen, Schweden, Dänenmark, Norwegen, Finnland, Estland, Dalmatien und Kroatien. (L2 S.110,120) Ein öffentliches Dagegenhalten war somit durchaus gefährlich und nicht jedermanns Sache, mutige Leute vom Schlage Luthers waren damals ebenso selten wie heute.

Für die Reichen fanden sich leichter Propagandisten ihres Reichtums. Der Ingolstädter Theologe Johannes Eck, ein enger Vertrauter Jacob Fuggers, übernahm seit 1514 gewissermaßen die Medienarbeit zur Aufhebung des Zinsverbots. Historisch bekannter wurde er als der berühmteste Gegner Martin Luthers. Dieser Professor an der Universität von Ingolstadt nahm am 15. Juli 1515 an einem öffentlichen Streitgespräch zum brisanten Thema der Wuchergeschäfte teil. Dort entwickelte er sein Darlehensmodell für einen Kontrakt in drei Stufen um das Zinsverbot der Kirche zu umgehen. Eck wußte die Lehre vom gerechten Preis (justum pretium) auf folgende Weise auszuhebeln:
   1) Besiegelung einfacher Partnerschaft,
   2) kommerzielle Investition mit Risiko und (hohem Gewinn) verabreden,
   3) der "Kreditnehmer" verkauft dem Geber die Investition mit geringerem Gewinn "zurück".
Auf dem Consilium verteidigte Eck die Rechtmäßigkeit von fünfprozentigen Verträgen, ein kleiner Anfang, aber immerhin. Die Theoretiker auf der iberischgen Halbinsel fabulierten nicht so zimperlich. Sie entwickelten bereits Gedanken über sogenannte Opportunitätskosten. Das definierte quasiwissenschaftlich jene Schattenpreise, die scheinbar anstehen, weil dem Geldverleiher womöglich noch viel bessere Verträge zugänglich gewesen wären als er den vermeindlich ungünstigen Zins bestimmte. Es ist unglaublich, mit welcher Skrupellosigkeit die Scholastiker vorgingen, als sie die alten Voraussetzungen für Darlehen, denn Kredite waren durchaus erlaubt, einfach vom Tisch fegten. Sie ignorierten Tatsachen, als sie in verlogener Weise Forderungen an die neu entstandene schöne Theorie vom freien Markthandel stellten: keine Verzerrung durch Monopolpreise, kein Vertragsbetrug und keine Eingriffe durch die Regierungen. Halt Scholastiker eben in ihren Universitätsstuben, die leicht ignorieren konnten, das auf dem breiten Land noch keineswegs das Leben durchmonetisiert war und folglich auch kein "freier Markt" existierte. Selbst einem Eichstätter Bischof müffelte die offensichtliche Lobbyarbeit des Johann Ecks zugunsten der Fuggermafia irgendwann zu stark. Er untersagte eine öffentliche Disputation über Geschäftsbeteiligungen an der Ingolstädter Universität.[3] Die Reisekosten zum nächsten propagandistischen Auftritt Ecks im italienischen Bologna spendierten daher die Fugger.

Im Verlauf der Geschichte existierten Zeitpunkte, in denen sich für die menschliche Gesellschaft unterschiedliche Entwicklungsrichtungen andeuteten. [4] Der in der Frühen Neuzeit eingeschlagene Weg in die moderne Geldwirtschaft erfolgte nicht zwangsgebunden objektiv. Er wurde bestimmt von den Oberschichten der Gesellschaft und dabei ganz vorn ausgerechnet von den Vertretern der Kirche, die der menschlichen Klugheit ein ständiges Gewinnstreben andichteten und und geradezu frech behaupteten, der "freie" Wettbewerb sei gottgewollt.



Beispiele für Avantgardisten der Geldwirtschaft
Martin Aspilcueta (1493-1586) Scholastiker der Schule von Salamanca, Berater der Inquisition. Schrieb einen Kommentar zum berüchtigten Hexenhammer.
Johannes Eck (1486-1543) Ingolstädter Theologe, Vertrauter des Fugger-Imperiums. Befürwortete 5% für Zinsen.
Luis de Molina (1535-1604) Moralprofessor an der Jesuitenschule in Madrid. Gegner des Zinsverbots.
Diego de Covarrubias y Leyva (1512-1577) Theologe und Jurist, Bischof von Segovia, Berater des spanischen Königs.
Jean Bodin (1530-1596) Ein Vorläufer der Geldmengentheorie. Schrieb ebenfalls ein Buch über Hexerei und war an Hexenprozessen beteiligt.


Ausgerechnet Kirchenfürsten und Mönche (man ist geneigt, sie im Gegensatz zu wirklich Gläubigen als Berufschristen zu bezeichnen), beschäftigten sich mit Theorien über die Habsucht, nicht etwa in der Phalanx der Gegener der Ursünde, sondern als deren spitzfindige Befürworter. Das zwang sie selbstredend zu philosophischen Drechseleien, die aus falsch ein richtig zu formulieren wußten. Die Philosophie, die daraus entstand, nannte sich Probabilismus. Das darin enthaltene Moralsystem geriet natürlicherweise mit den überlieferten Moralanschauungen des Christentums in Konflikt. Erst Jahrzehnte später engagierten sich sogar katholische Gegner dieser Verzerrungen, deren berühmtester Vertreter Pascal werden sollte. Die Kirchenoberen nutzten viele Möglichkeiten, ihre nun alltäglich gewordenen Geld-Begierden propagandistisch unter das Volk zu bringen. Tausende Mönche waren in allen Gegenden Europas tätig, den Ablaßhandel in neuer Geldform zu predigen, deren berüchtigster Vertreter Tetzel in die Geschichte eingegangen ist, weil seine schauderhaften Predigten den Luther zur Aufmüpfigkeit anstachelten. (In der Ökonomie unserer Gegenwart sind diese christlichen Tetzels nicht mehr notwendig. Deren Rolle haben jene zahllosen Medienangestellten übernommen, die mehr oder weniger freiwillig als gedankenlose Bewunderer wildestem Finanzgebarens auftreten.) Im Gegensatz zu den theoretischen Befürwortern [5] finanzieller Bereicherung zeigt sich in der Frühen Neuzeit unter den Verteidigern des Gemeinwohls nicht selten der Gemeine Mann:



Beispiele für die Verteidiger des Gemeinwohls
Paul Negelein Stadtschreiber. Im Entwurf eines städtischen Wertesystems, das sich an Begriffen wie Klugheit, Autorität und Selbstdisziplin orientierte, fasste Negelein seine eigenen Erfahrungen in der kommunalen Verwaltung zusammen.
Johann Ferrarius Gründer der Marburger Universität, schrieb 1533 ein Traktat über den Gemeinnutz. "Also in einer Stadt oder Commun müssen all stücke zusammen stymmen, sich vergleichen und keins dem andern in sein amt fallen. Daraus kompt ein harmonia und schoner lieplicher thon, das wir nennen ein gemeiner nutz."
Hans Sachs Schuster und Dichter. Er ließ den Romanus sagen: "Ich red nit von Fürkaufen, da man Nutz sucht einer ganzen Gemein und gleich einen ziemlichen Pfenning zu Gewinn nimmt, und noch viel weniger, wo ein Oberkeit fürkauft und gemeinen Nutz sucht, sunder allein red ich von den Fürkaufern von Eigennutz und Gewinns ... Von denen steht Proverbiorum 11: Der da verbirgt sein Getreid, der ist verflucht unter den Völkern. Und Levitici 25: Du sollt dem Armen dein Speis nit mit Ubersatz auftun. Und Deuteronomii 23: Du sollt an deinem Bruder nicht wuchern, weder mit Geld noch mit Speis noch mit all dem, damit man wuchern kann... Und der Herr schwur: Ich wird nit vergessen aller ihrer Werk bis ans End."
Ulrich Zasius (1461-1535) Jurist, gegen Darlehensverträge, die Zinsen abwerfen.
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Bernhard Adelmann (1457-1523) adliger Humanist, erklärter Gegener des Johannes Eck.


Ein Menschenalter nach dem Grossen Deutschen Bauernkrieg dachte ein Paul Negelein über den Gemeinnutz nach. Wie im menschlichen Körper die einzelnen Organe eine bestimmte Funktion erfüllen müssen, um das Leben des Menschen zu erhalten, hätte sich der einzelne Mensch auch in der Gesellschaft zu verhalten. Hingegen wo Geiz oder Eigennutz einmal den Menschen eingewurzelt wären, bliebe wenig Guts zu hoffen. (L3 S.598 f) Mißtrauen gegen die neue den Menschen unnatürlich eingepflanzte Habgier erschien durchaus angebracht. Auch der berühmte Hans Sachs schrieb gegen den Eygennutz, das greulich Thier wie Jodok Lorich mit der Schrift Von Weltlichen Stenden Hohen und Nidern . Sie waren angewidert von der unverholen gesellschaftsfähig gewordenen Habgier. Die Eigennutzanbetung kann im Lob des Eigen Nutzen nachgelesen werden beim Ulmer Bürger Leonhard Fronsberger. Sein Titelbild könnte heutigen Journalen entnommen sein und lautete: Alls in mein Sack, ebenso seine Argumentation, das ohne Geiz kein Bauer auf das Feld gehen würde.(L3 S.606) Und 1598 fragt der Tübinger Jurist Christoph Besold, warum Geld kein Gewinn abwerfen dürfe, denn der Hauptgedanke des Zinsverbots sei ja, das anderen nicht geschadet werden dürfe. Wo doch aber nun feststeht, das Zinsnehmen nützlich sei, kann es wohl erlaubt werden. (L3 S.618)
In den kommenden drei Generationen setzte sich eine Weltsicht in den Köpfen der Menschen fest, die Prellerei und Betrug, Sklavenhandel und Prostitution, schließlich Mord und Krieg geradezu rechtfertigte. Auch eine Vermutung (L4 S.65) darf man getrost hinzufügen: zwei zerstörerische Wellen fuhren über die europäischen Länder hinweg, die der vollständigen Monetarisierung der Gesellschaft und jene der furchterzeugenden Hexenverfolgungen. Eine seltsame Parallelität erscheint hier jedem historisch Interessierten, und bei beiden waren hohe Herren der Kirche involviert. Die damit einhergehende Brutalisierung der Gesellschaft feierte dann ihren größten Erfolg im Dreißigjährigen Krieg.







Fußnoten:

[1] Die Bevölkerung auf dem Land besaß noch sehr wenig Geld, auch weil es im Alltag noch nicht zwingend in Erscheinung trat. Der Produktaustauch wurde vorrangig von "Ware" gegen "Ware" bestimmt. Die relativ kleine Geldmenge der Landleute bestand vorzugsweise aus Münzen von geringem Wert, und schließlich war der Wertbestand dieser Münzen auch noch äußerst unsicher und in Sorten zersplittert. Dem stand eine große Geldmenge als Kaufmannskapital gegenüber, ausschließlich in Städten bei relativ wenigen Personen. Die Berge aus Gold und Silber häuften sich in wenigen Truhen und die Münzen bewegten sich nur innerhalb eines definierten Personenkreises. Bei einem solchen Gesellschaftszustand von "freier Konkurrenz" zu sprechen, ist vieleicht naiv, aber der Begriff "freier Markt" offensichtlich falsch.

[2] In modernen ökonomischen Theorien sind diese Fragwürdigkeiten bereits abgeschafft, da arbeitet sogar das Geld.

[3] Dafür durfte Eck dann später tapfer und laut gegen Luther zu Felde ziehen.

[4] Die historische Frage, die anstand, lautete: weiter in Richtung Geldwirtschaft mit Habgier oder als Alternative der Weg in Richtung Gemeinwohl. Es ist heute wichtig, zu erkennen, das diese Richtungsbestimmung moderner Durchmonetarisierung unumkehrbar wurde. Später traten genau jene verheerenden Auswirkungen ein, die befürchtet wurden (Dauerkriege in Frankreich, Italien und Deutschland usw.) Damit verlor das Christentum immer mehr seine Urkraft. Es gab sogar Abweichler inerhalb der katholischen Kirche. So wird in der Geschichtsschreibung nur selten hervorgehoben, das katholische Mönche in der Neuen Welt versuchten, eine alternative Organisationsform zu finden mit der Einrichtung neuer Indianersiedlungen.

[5] Ein Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, der die Ursachen für die Armut in der Welt herauszufinden hoffte, schrieb auf, das eine Hypothese nicht ganz vollständig sei, nach der die Menschen ihre Kaufentscheidungen an ihrem Einkommen ausrichten und ihre Ausgaben um weniger erhöhen als ihren Einkommenszuwachs. Bestimmend sei dabei auch die Form des Einkommens und ob weitere Einkommenszuwächse zu erwarten wären. Wer hätte das gedacht? Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit Arbeit verdienen müssen, wissen, das wer arm ist teuer lebt. Eine hohe Dauerpension, ein regelmäßiges Gehalt oder ein schwankender Leistungslohn sollen ja ziemlich unterschiedliche Konsumverhalten hervorbringen. Erhielt je ein Gewerkschafter einen Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften?






Namen Zeitgenossen Quellen
Bernhard Adelmann von Adelmannsfeldern (1457-1523) Humanist, Freund Luthers und erklärter Gegener des Johannes Eck, Bernhard unternahm 1492 im Auftrag des Fürstbischofs mit einer Gesandtschaft eine Reise zu Heinrich VII., König von England. Bruder: Johann, Deutschmeister des Deutschen Ordens († 17. Februar 1515)  
Martin Aspilcueta (1493-1586) Scholastiker und Jurist der Schule von Salamanca, theologischer Gegner Luthers. Als Berater der Inquisition tätig. Erweiterte den vom Alfonso de Castro gefaßten Begriff der theologischen Schuldstrafe. Schrieb ein Nachschlagewerk zur Heräsie-Verfolgung und einen Kommentar zum berüchtigten Hexenhammer. Moderne Ökonomen halten es für eine wissenschaftliche Errungenschaft, das er als erster erkannt haben soll, das seltene Metalle ihren Wert durch Knappheit erhalten.  
Christoph Besold (1577-1638) googlebook
Jean Bodin (1530-1596) Schrieb die Réponse de J. Bodin aux paradoxes de M. de Malestroit (1568) [Die Antwort des J. Bodin auf die Paradoxien des Herrn Malestroit (1568)] (Reponse aux paradoxes de M. de Malestroit touchant le fait des monnaies et l´encherissement de toutes choses - Die Antwort an Herrn Malestroit Paradoxien hinsichtlich der Tatsache, Währungen und Versteigerungen aller Dinge) Preisrevolution
und
Georg Wiebe 1864 Geschichte der Preisrevolution
Johannes Eck Ingolstädter Theologe, Vertrauter Jacob Fuggers, später der berühmte Gegener Martin Luthers. Leistete (im modernen Sprachgebrauch) die Medienarbeit zur gezielten Aufhebung des Zinsverbots.
Wird in der Geschichtsschreibung zuweilen als korruptes Sprachrohr der großen Handelshäuser geführt.
Häberlein S.171
deutsche biographie
Briefwechsel mit Fugger
Gabriel van Eyb (1455-1535) Dem Eichstätter Bischof Gabriel van Eyb war die vorsichtige Lobbyarbeit des Johann Ecks für die Fuggermafia schon zu viel. Er untersagte eine öffentliche Disputation über Geschäftliche Beteiligungen an der Ingolstädter Universität. Häberlein S.171
deutsche biographie
Johannes Faber Augsburger Dominikanerprior, kam vorübergehend in Konflikt mit der kaiserlichen Regierung. 1515 disputierte er öffentlich an der Universität Bologna über Prädestination, Ablaß für die Verstorbenen, Wucher und andere Fragen. Bald nach seiner Rückkehr wurde er zum kaiserlichen Rat ernannt. Starb 1530 in Verbannung. deutsche biographie
Johann Ferrarius Gründer der Marburger Universität, schrieb ein Traktat über den Gemeinnutz. Tractatus de respublica bene instituenda. Das ist ein sehr nützlicher Traktat vom Gemeinen Nutzen, Marburg 1533
Sebastian Ilsung Jurist, rechtfertigte bereits 1513 Darlehensverträge, vermutlich auf Initiative der Fugger. Häberlein S.170
Johann de Lugo (1583-1660) Kardinal in Rom. googlebook
Paul Negelein Im Entwurf eines städtischen Wertesystems, das sich an Begriffen wie Klugheit, Autorität und Selbstdisziplin orientierte, fasste Negelein seine eigenen Erfahrungen in der kommunalen Verwaltung zusammen:
Vom Burgerlichen Standt : Welcher massen derselbe in beharlichem wesen ...
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deutsche biographie
Hans Sachs Romanus: Ich red nit von Fürkaufen, da man Nutz sucht einer ganzen Gemein und gleich einen ziemlichen Pfenning zu Gewinn nimmt, und noch viel weniger, wo ein Oberkeit fürkauft und gemeinen Nutz sucht, sunder allein red ich von den Fürkaufern von Eigennutz und Gewinns halb, und dem Fürkaufer leid wär, daß nachmals Wein, Getreid und anders wohl geriet, frohlocken in dem ungeraten Jahr, verbergen den Fürrat in der Not, wo sie verhoffen, mehr Gelds daran zu erhalten. Von denen steht Proverbiorum 11: Der da verbirgt sein Getreid, der ist verflucht unter den Völkern. Und Levitici 25: Du sollt dem Armen dein Speis nit mit Ubersatz auftun. Und Deuteronomii 23: Du sollt an deinem Bruder nicht wuchern, weder mit Geld noch mit Speis noch mit all dem, damit man wuchern kann. Und Amos 8: Höret das, ihr zerknischet den Armen und machet manglen die Durftigen der Erd, saget: So der Schnitt vergeht, verkaufen wir die Lohn, und den Sabbath wir tun auf das Getreide, wir mindern die Maß und mehren den Säckel und verkaufen die Spreuer des Getreids, das wir besitzen, den Durftigen im Silber. Und der Herr schwur: Ich wird nit vergessen aller ihrer Werk bis ans End. Reichenburger: Fürkaufen in solcher Maß ist nicht ein christlicher Handel, es tu gleich, wer da wöll! Ein Dialogus, des Inhalt ein Argument der Römischen wider das christlich Häuflein; den Geiz, auch ander offenlich Laster etc. betreffend.
Q: zenoorgliteratur
Martin Luther These 43 von 1517: "Die Christen müsse gelehrt werden, das es besser ist den Armen zu geben ..."
Hier wird dieses Zitat deswegen angeführt, weil Luther darauf aufmerksam macht, das das den Menschen beigebracht werden müsse!
Lutherzitat ackerwerk mehren und kauffmaschafft myndern
Bettelzitat Luther über das Betteln: etwa: Es soll niemand unter den Christen betteln gehen müssen, es wäre ein leichtes Ordnung zu machen wenn wir den Mut und den Ernst dazu täten, wenn jede Stadt ihre eigenen armen Leute versorgt, weil man dann wisse, welche wahrhaftig arm sind und welche nicht. u.s.w.
Hans-Jürgen Prien, Luthers Wirtschaftsethik, Göttingen 1992
googlebook
Domenico des Soto (1494-1560) Beichtvater Karls V. googlebook



weiterführende Links
PDF-Datei Martin Luther, An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung (1520)
Luther-W Bd.2 S.157-170, 382     (Textausschnitt) ⇒ Luther 1520
PDF-Datei Winfried Schulze, Vom Gemeinnutz zum Eigennutz / Über den Normenwandel in der ständischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit München 1987,
in: Schriften des Historischen Kollegs Vorträge 13 Hrg. Horst Fuhrmann ⇒
googlebook Richard Faber, Katholizismus in Geschichte und Gegenwart, Königshausen & Neumann, Würzburg 2005
googlebook




Quellenangaben und Literatur Bemerkungen
(L1) Götz Freiherr von Pölnitz, Jakob Fugger - Kaiser, Kirche und Kapital in der oberdeutschen Renaissance, Tübingen 1949 S.79
(L2) Ernst Hering, Die Fugger, Wilhelm Goldmann Verlag, Leipzig o.J., S. 110, 120
(L3) Winfried Schulze, Vom Gemeinnutz zum Eigennutz / Über den Normenwandel in der ständischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit München 1987, S. 599, 606, 618
(L4) Philipp Robinson Rössner, Deflation-Devaluation-Rebellion, VSWG-Beihefte 219, Franz Steiner Verlag Stuttgart 2012, S. 15-16, 20-25, 65, R. gibt S. 65 den HW: das zwischen 1470 und 1520 die erste Welle der Hexenverfolgungen einsetzte. Die folgende begann etwa 1560.
(La) Mark Häberlein, Die Fugger, Stittgart 2006 S. 171-172


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Notizen zur Geschichte der Frühbürgerlichen Revolution  •  © Dipl. Ing. Hans Holger Lorenz  •  beg. 2006  •  Stand: 23.01.2016  •  WB To