Die Bundesordnung der oberschwäbischen Bauernhaufen vom 7.März 1525

Bundesordnung

Handlung und Artikel, so fürgenommen worden auf Aftermontag nach Invocavit von allen Rotten der Haufen, so sich zusammen verpflicht haben in dem Namen der Heiligen unzerteilten Dreieinigkeit.
Dem allmechtigen ewigen Gott zu Lob und Ehr und Anrufung des Heiligen Evangelii und göttlichs Worts, auch zu Beistand der Gerechtigkeit und Göttlichs Rechten ist der Christenlichen Vereinigung und Bündnüs angefangen, und niemands, er sei geistlich oder weltlich, zu Verdruß und Nachteil, so viel das Evangelium und Göttlich Recht inhalt und anzeigt, und insonderheit zu Mehrung brüderlicher Liebe.
Erstlich erbeut sich ein ehrsame Landschaft dieser Christenlichen Vereinigung, was man geistlicher oder weltlicher Oberkeit von Göttlichem Rechten zu tun schuldig, demselben in keinen Weg widerwertig sein, sonder gehorsamlich halten.

Item es ist einer ehrsamen Landschaft Will und Meinung, daß ein gemeiner Landfried gehalten und niemands dem andern wider Recht tue. Ob sich aber begeben würde, daß jemands mit dem andern zu Krieg und Aufruhr bewegt, so soll sich niemands rotten oder parteien in keinen Weg, und soll die nechst Person, in was Stands sie sei, Macht haben, Fried zu machen und zu bieten. Der soll von stundan bei dem ersten Friedbieten oder -rufen gehalten werden, und welcher solich Friedbieten nit halten würde, der soll nach seiner Verschuldung gestraft werden.

Item was bekanntlicher Schuld, oder darum man Brief und Siegel oder glaubwirdig Urbar hat, so verfallen seind, sollen bezahlt werden. Ob aber jemands ein Einred zu haben vermeint, soll ihm das Recht vorbehalten sein, doch jederman auf sein Kosten, und gemeiner Landschaft dieser Christenlicher Vereinung halben unbegriffen. Und angehnd Schulden als Zehent und ander Rent und Gült sollen stillstehn bis zu Austrag des Handels.

Item so Schlösser würden sein dieser Landart gelegen und nit in dieser Christenlicher Vereinigung verbunden, sollen dieselben Inhaber der Schlösser mit freundlicher Ermahnung ersucht werden, daß sie im Schloß nit weiter dann mit Profant zu ziemlicher Notdurft versehen und dieselben Schlösser weder mit Geschütz noch Personen, die nicht in diese Vereinung geton, besetzen. Ob sie aber weiter, dann bisher besehenen, besetzen, das sollen sie tun mit Leuten, dieser Vereinung verbunden und zugehörig, auf ihren Kosten und Schaden. Desgleichen die Klöster.

Item wo Dienstleut weren, die Fürsten und Herren dienen, die sollen ihren Eid aufgeben und -sagen, und so sie das tun, sollen sie in diese Vereinung angenommen werden. Welchers aber nit ton will, der soll Weib und Kind zu ihm nehmen und ein Landschaft unbetrübt lassen. Wo aber ein Herr ein Amtmann oder andern, so in dieser Verbündnis ist, erforderte, so soll derselb nit allein, sonder zween oder drei mit ihm nehmen und hören lassen, was mit ihm gehandelt werde.

Item wo Pfarrer oder Vicari sein, sollen sie freundlich ersucht und gebeten werden, das Heilig Evangelium zu verkünden und zu predigen. Und welche das tun wollen, den soll dieselb Pfarr ein gebührliche Unterhaltung geben. Welche aber solichs nicht tun wollen, die sollen geurlaubt werden und die Pfarr mit einem andern versehen werden.

Item ob sich jemands mit seiner Oberkeit in ein Vertrag einlassen wellt, so soll er ohn Vorwissen und Verwilligung gemeiner Landschaft diese Vereinung nit beschließen. Und ob mit Verwilligung bemeldter Landschaft des beschlossen wurde, nichts dester weniger sollen dieselben in ewiger Verbündnüs und Christlicher Vereinung sich verwilligen und darin beleiben.

Item es sollen von jedem Haufen dieser Vereinung ein Obersten und vier Rät geordent und gesandt werden; die sollen Gewalt haben, mitsamt andern Obersten und Räten zu handlen, wie sich gebührt, damit die Gemeind nicht allwegen zusammen müsse.

Item es sollen kein raubige Güter, so diesen Mitverwandten entwert, unterhalten und passiert werden.

Item welche Handwerksleut ihrer Arbeit nach aus dem Land ziehen wöllten, der soll seinem Pfarrhauptmann anloben, sich wider diese Christliche Vereinung nit bestellen lassen, sonder wo er hörte und vernehm, daß dieser Landschaft Widerwertigs zustehen wöllte, solichs dieser Vereinung zu wissen tun, und, so es vonnöten würde, von stundan seinem Vaterland zuziehen und helfen zu retten. Desgleichen sollen die Kriegsleut auch verbunden sein.

Es sollen Gericht und Recht, wie vor besehenen, Furgang haben.

Item unziemliche Spiel, Gottslestern und Zutrinken ist verboten. Wer das nit helt, soll nach seiner Verschuldung gestraft werden.

Hernach sein bestimmt die doctores, so anzeigt sein zu Aussprechung des Göttlichen Rechten.

Doctor Martinus Luther
Philipus Melancthon
Doctor Jacob Strauß zu Eisleben
Osyander zu Nürnberg
Biblicanus zu Nördlingen
Matheus Zeller und seine Gesellen zu Straßburg
Conradus Predicant zu Ulm
Predicant zu Hall
Predicant bei den Barfüssern zu Augsburg
Predicant zu Riedlingen
Predicant zu Lindau im Kloster
Ulrich Zwinglin und seine Gesellen zu Zürich
Predicant zu Reutlingen
Quelle: DOKUMENTE AUS DEM DEUTSCHEN BAUERNKRIEG
Beschwerden Programme Theoretische Schriften
Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1974
Printed in German Democratic Republic (DDR) 1974 S. 99 - 101
Bemerkungen zum o.g. Dokument

Zum Vergleich hier ein zeitgleich geschriebener Text der Gegenseite, zitiert aus dem Brief vom Bundesrat Kanzler Eck an seinen Herzog Wilhelm von Bayern :

7. März 1525:
"Nur still jetzt und geheim! ...aus dem Begehren der Bauernschaft ersieht man, was lutherische Lehre bewirkt. Wildbret und Fische frei und niemand nichts zu geben! Dieser Teufel ist nicht zu bannen ohne den Henker."

Am 9.März 1525:
"Wir werden gegen die Bauern bald solchen Ernst gebrauchen, dass ihr höllisch Evangelium in kurzen Tagen erlöschen wird. ... Der Bauern brüderliche Liebe ist mir ganz zuwider. Ich habe mit meinen Geschwistern nicht gerne geteilt; geschweige; das ich das mit Fremden und mit Bauern täte."

Kommentar

Anzusehen sind sie der Bundesordnung nicht: die heftigen Diskussionen der Bauern. Leute, die mehr das Arbeiten gewohnt sind und ungeübt im Verfassen langer Texte. Auch Aufbegehren und Waffentragen ist ihre Sache nicht.
Die Abgesandten der drei großen Bauernarmeen, der Baltringer, der Allgäuer und der Bodenseebauern konnten sich anfangs nicht einigen auf eine gemeinsame Bundesordnung. Der Delegierte Sebastian Lotzer, Mitverfasser der →  12 Artikel, brachte zu den Beratungen am 6/7.März 1525 einen Entwurf mit. Die anderen lehnten ab, weil er ihnen zu vorsichtig war.
Dabei haben haben die Bauern momentan die Macht. Sie stehen ihren ehemaligen Herren in großen überterritorialen Bündnissen gegenüber. In ihrer Christlichen Vereinigung warten 300 000 bewaffnete Bauern auf den Kampf. Wenn sie es richtig anstellen, ist das Gebiet vom Bodensee aus bis über die Donau nach Norden und über die Iller nach Osten in ihrer Hand!

Aber Warten ist nicht ausreichend. Die Anführer schwanken sogar - zwischen Offensive und Defensivtaktik. Würden die Bauern sofort gemeinsam kämpfen, könnten sie den Truchseß von Waldburg schlagen...

Das ist die Schiksalsstunde in diesem Bauernkrieg. Hier fällt eine Entscheidung für den weiteren Verlauf der größten sozialen Erhebung, die je in Deutschlands Geschichte stattfand.

Es ist ein Text der Bauern. Sie akzeptieren eine Doppelherrschaft. Sie wollen friedlich bleiben und "unabhängige" Richter und Gelehrte entscheiden lassen. Martin Luther wird gerufen.
Bauern sind keine Soldaten, sie verstehen sich nicht auf räuberische Erpressung, zu der sie jetzt durchaus in der Lage wären. Sie verlangen nur Fairniß. Deswegen einigt man sich wenigstens auf den neuen in diesem Dokument aufgenommenen Schlösser-Artikel. Der besagt, das auch von der adligen Seite verlangt werden solle, die weitere Bewaffnung einzustellen.

Die andere Seite, der Schwäbische Bund, sammelt derweil Truppen aus allen Adelsnestern. Als die schon in Flucht geübten Herren sich wieder stark genug fühlen, akzeptieren sie nicht einmal mehr die aufgestellte Liste der unabhängigen Schiedsrichter - für immer eine grundlegende Erfahrung aufbegehrender Bauern.

Zuerst wird der Baltringer Haufen geschlagen. Die beiden anderen Bauernarmeen willigen am 17. April in den schmachvollen Vertrag von Weingarten ein, der sie zur Unterwerfung zwingen wird!

Und man lese den Bauerntext noch einmal - alle geistlichen und weltlichen Herren nannten das darin Geschriebene AUFRUHR und REBELLION.

→  Wörterbuch für Texte aus der Zeit des Grossen Deutschen Bauernkrieges

→  Wilhelm Zimmermann

www.bauernkriege.de

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Notizen über den Deutschen Bauernkrieg [Bundesordnung 1525] / Hans H. Lorenz / 19. September 2017