Signatur des Jörg Ratgeb Signatur des Jörg Ratgeb

Jörg Ratgeb

"Ist mein gantz undertenig demütig bitt...damit sein fürstlich Gnad mir mein Weib und Kind
der laybeigenschafft ledig sage..."



Hinweis: ungesicherte Angaben sind mit (?) gekennzeichnet

"Ist mein gantz undertenig demütig bitt...damit sein fürstlich Gnad mir mein Weib und Kind der laybeigenschafft ledig sage...", diese Bitte an den Fürsten zur Freigabe der ihm liebsten Menschen aus der Leibeigenschaft schrieb der Maler Jörg Ratgeb im Jahr 1510 an Herzog Ulrich. Sie sollte ihm nie erfüllt werden. Auch eine Fürsprache der freien Reichsstadt Heilbronn half ihm dabei nicht. Deren Bürgerstatus blieb ihm dadurch verwehrt. Sechzehn Jahre später wurde der Mann auf grausamste Weise hingerichtet, weil sich dieser große Künstler der Reformationszeit unbeirrbar auf Seiten der aufständischen Bauern hielt. Warum er das tat, ist eine Frage, die sich nach Lesen seiner Bittgesuche von selbst beantwortet. Sie wurden, wenn überhaupt, abschlägig behandelt.

Ratgeb, auch Jerg Ratgeb genannt, stammte aus Schwäbisch-Gmünd und kam 1508 nach Stuttgart. Auf 1510 ist der Barbara-Altar in der Stadtkirche zu Schwaigern datiert und mit "J.R.M" signiert. Auf der Innenseite wird die Legende der heiligen ⇒ Barbara, die noch heute als Patronin der Bergleute gilt, erzählt. Im gleichen Jahr mußte den Maler ein Abschiedserlebnis bewegt haben, denn es entstand die Tafel Christi Abschied von seiner Mutter.

Als ungefähr Dreißigjähriger lebte er zwischen 1509 bis 1512 in Heilbronn. Diese Reichsstadt bestimmte sein Schicksal auf besondere Weise. Ratgeb kam als freier Mann und mit dem Meisterrecht eines Malers. Das belegen seine Steuerzahlungen und Eingabebriefe. Aber er war einer Frau zugetan, die als Leibeigene dem Herzog Ulrich "gehörte". Vermutlich arbeitete das Bauernmädchen auf den herzoglichen Gütern. Doch der "rechtliche" Zustand in den territorialfürstlich zersplitterten deutschen Landen war weitaus schlimmer angelegt: Obwohl Ratgeb ein freier Mann war, gehörten seine Kinder dem Fürsten. Auf Grund der Gesetze wurden die Kinder wieder in Leibeigenschaft geboren, weil ihre Mutter eine Leibeigene war!
So konnten die Städter den Maler nur als Hintersassen in ihrer Stadt zeitlich begrenzt aufnehmen und nicht als freien Bürger wohnen lassen. Die Heilbronner gaben ihm die Verpflichtung auf, den württembergischen Fürsten um einen → Loskauf zu bitten. Das kam einem sozialen Abstieg gleich, den der Künstler aus Liebe zu seiner Frau ertrug, auch in der Hoffnung, das seiner Bitte entsprochen würde. Seine Familie mußte nun lange Jahre im Ungewissen leben, bis der Maler trotz wohlmeinender Stadträte Heilbronn verlassen mußte, da ihm ein Loskauf versagt blieb!
Danach zog es Ratgeb zwischen 1514 und 1517 nach Hirchhorn am Neckar und nach Frankfurt a.M. Es ist möglich, das der Künstler dort in Berührung mit → Gothardt-Neidhardt kam.
Ab 1518 arbeitete er in Herrenberg, eine Tagesreise von Stuttgart entfernt.

Von den wenigen überlieferten Werken wird heute der Herrenberger Altar als sein Hauptwerk benannt. Gemalt wurde er zwischen 1518 und 1519 für die Brüder vom gemeinsamen Leben, die bereits ab 1481 die Herrenberger Chorherren ersetzten. Diese neuen Fraterherren als wichtigste Vertreter der Devotio moderna predigten eine praktische Frömmigkeit und erklärten Plebejern, Bauern und Leibeigenen die Bibel. Für ihr propagandistisches Wirken nutzten sie frühzeitig den neu aufgekommenen Buchdruck. Es ist somit erklärlich, das Ratgeb einen Christus darstellte, dem das Volk zugewandt ist, würdevoll und empört über die Bestrafung. Die Henker und Spießgesellen dagegen gleichen fetten und anmaßenden Herren und Kirchenleuten, wirken ekelerregend und abstoßend.
An einem Außenflügel des Altars sehen wir die Auferstehung Christi. Die Lichtvision des sich erhebenden Jesus, mit der die Häscher wie geblendet zu Fall gebracht werden, läßt darauf schließen, das Ratgeb den ⇒ Isenheimer Altar des Grünewald gesehen haben könnte.

Auferstehung Christi  Herrenberger Altar des Ratgeb Auferstehung Christi Isenheimer Altar des Grünewald
Herrenberger Altar des Ratgeb
(rechter Außenflügel)
1518-1519
Isenheimer Altar des Grünewald
(rechter Flügel)
1512-1515


Das konnte in jener Zeit gewesen sein, als der Maler zwischen 1514 und 1517 im Karmeliten-Kloster zu Frankfurt am Main arbeitete. Dort ist sein großartiger Freskenzyklus im Kreuzgang mit R.1514 signiert, die zugehörigen Darstellungen im Refektorium mit 1517. Vierhundertsiebenundzwanzig Jahre später vernichtete der schwere Bombenangriff auf Frankfurt am Main am 22. März 1944 die historische Altstadt. Auch die Anlagen des Karmeliten-Klosters wurden dabei durch Phosphor-Bomben weitgehend zerstört. Der Restaurierung der Wandbilder im Refektorium und Kreuzgang konnte man sich erst 1980 widmen und sie dauerte sechs Jahre. Diese monumentalen Wandmalereien, die beinahe 600 Quadratmeter umfassten, sind mit Szenen aus der Heilsgeschichte ausgestattet. Besonderes Interesse weckten immer wieder die Darstellungen des Martyriums der Karmeliten.

Selbstbildnis und Bildnis von Ratgebs Frau im Herrenberger Altar Kunsthistoriker vermuten das Selbstbildnis und das Bildnis seiner Frau im Herrenberger Altar an den gekennzeichneten Stellen








Erläuterungen zum Bauernkrieg in Württemberg

Immer erscheint uns Heutigen die Lage zur Bauernkriegszeit in den verschiedenen deutschen Landen widersprüchlich.
So steht z.B. die Frage im Raum, weshalb der adlige Herzog Ullrich, berüchtigt durch seine grausame Niederschlagung der Bewegung des Armen Konrad und seinem Strafgericht an den Schongauer Bauern, weshalb also dieser Mann ab 1522 auf Seiten der Aufständischen zu finden war.

In Herzog Ulrich können wir einen typischen Vertreter damaliger Adligkeit sehen: habgierig, gewissenlos, verschwenderisch. Für seinen Lebenswandel ließ er Zölle eintreiben (1512 Weinzoll), Verbrauchssteuern auf Fleisch und Früchte erheben, die Maßgewichte fälschen und das Geld verschlechtern (1514). Seine kriminellen Machenschaften waren damit noch nicht vollständig. 1515 wurde dieser verheiratete Fürst zum Mörder, als er den Gatten seiner Mätresse erschlug. Das blaue Blut vieler Generationen in ihm neigte nicht selten zum Wahnsinn.

Politisch war dieser Adlige für die Kaiserlichen geradezu untragbar. Er versuchte ständig gegen den Landfriedensbund zu intrigieren. 1516 sprach Kaiser Maximilian deshalb über ihn die Acht des Reiches aus. Nach Maximilians Tod 1519 gab Ulrichs Überfall auf die Reichsstadt Reutlingen den Anstoß zu seiner Vertreibung. Das bewerkstelligt der Bayer Georg Truchseß von Waldburg, später der berüchtigste Bauernschlächter.

Der fliehende Herzog aber begab sich in die Dienste des französischen Königs. Dieser belagerte den noch jungen Kaiser Karl V. in der italienischen Stadt Pavia. Der Franzose Franz I. wollte ebenfalls Kaiser werden, fühlte sich aber von den Habsburgern umzingelt, die in Spanien regierten und in den Niederlanden, in den Donaugebieten und in Tirol Einfluß hatten, auch in Süditalien, Sizilien und Sardinien, und die sichtbar erfolgreich nach Übersee griffen auf Mittel- und Südamerika! Deswegen hielt es der christliche französischen König, nebenbei sei es erwähnt, eher mit den muslimischen Türken als mit dem katholischen Kaiser und dem Papst.

Aber Franz I. geriet nach erfolgloser Schlacht bei Pavia in Gefangenschaft. Damit verlor Herzog Ulrich gewissermaßen Zugang zu seinem Dienstherren und zu dessen Geldmitteln. Mit dem finanziellen Verlust verlor der Herzog aber auch seine Schweizer Landsknechte. Schließlich mußte er nun in Württemberger Land allein weiter kämpfen. Fast ohne Soldaten hoffte er da auf die Bauernschaft, die der vielen Fehden wegen in Unruhe gekommen war. Ulrich wollte mit ihrer Hilfe sein Gebiet zurück erobern. Diese standesübergreifende Allianz hatte aber keine tragende Qualität wie wir heute wissen. Damals freilich konnten das die aufrüherischen Bauern nicht wissen, ahnten es aber wohl. Doch die bewaffneten Landleute fühlten sich noch stark und siegessicher.

Ein Verhandlungsvorschlag der Aufständischen von 1525 gibt uns Aufschluß darüber, wie die Bauern sich das Ganze gedacht hatten:
Neben Herzog Ulrich soll ein Zwölferausschuß (Adel, Städter, Bauern - zu gleichen Teilen) regieren. Ohne Ausschuß darf Ulrich nichts beschließen. Amtleute werden durch den Rat eingesetzt. Vom Zehnt werden Pfarrer und Lehrer bezahlt. Für Wasser, Weide, Wald und Wild wird ein neues Gesetz erarbeitet u.s.w.

Nun hielten es die württemberger Bauern nicht so gern mit den Habsburgern, vor allem aber wollten sie: daß man Frieden mache, daß wir nicht alle vier Wochen Krieg hätten....   Ihre Bauernrevolten ergaben sich aus den ewigen militärischen Rangeleien der halsstarrigen Provinzadligen.

Am 5.und 6.April sammelten sich die Bauern unter weißen Fahnen mit Hirschhörnern, dem württemberger Wappen, am 10. April zogen Zehntausend auf den Wunnenstein. Sechs Tage später eroberten sie Weinsberg. Am 17.April mußten dort einige Adlige durch die Spieße des Hellen Haufens. Nach dieser Nachricht floh die Stuttgarter Regierung und man mußte neue Räte wählen. Die Stadt Stuttgart und das Gericht wählten auch den Maler zum Rat. Der führte mit den Bauern Verhandlungen, auch um eine vollständige Besetzung der Stadt durch die Aufständischen zu vermeiden. Diese lagerten am 25. April vor den Toren auf den Wiesen, drängten sich aber am nächsten Tag, von einem Hagel-Unwetter gejagt, in die Gassen. Es mag dabei nicht immer fein zugegangen sein und so beschwert sich die Bürgerschaft. Die Bauern hatten aber anderes zu tun. Ihre Hauptleute verfaßten einen Aufruf an die württembergische Landschaft.

Militärische Auseinandersetzungen bei Herrenberg und Böblingen 9.-12.Mai 1525

Die Bauersleute vertrauten einem bescheidenen Stadbewohner, dem sanftmütigen Mann, der eine Frau trotz deren Leibeigenschaft heiratete und dessen Abscheu gegen feudalistisches "Recht" garantiert blieb. So wählten auch die Landleute den Maler zu ihrem Kriegsrat und Kanzler. Man wollte nach Kircheim und dort mit anderen Bauerndelegationen beraten. Am 5. Mai brachte Ratgeb das Konzept des Adelsbriefes nach Stuttgart zur Vervielfältigung.
Auf der Gegenseite sammelten sich seit einer Woche Truppen des Truchseß von Waldburg und begannen gegen die Bauern zu marschieren. Die lagerten sich um Stuttgart herum, dann beim Gesamthaufen nahe Sindelfingen. Am 9. Mai erstürmten sie mit den Schwarzwäldern vereint Herrenberg. Der Truchseß offerierte scheinbare Verhandlungsbereitschaft als sich die Heere am 10. Mai gegenüberstanden. Die Bauern warten zu siegessicher!
Und ihre Verhandlungsbereitschaft werden sie noch bereuen! Untätiges Warten auf eine Schlacht zermürbt. Am 12. Mai fällt die Stadt Böblingen von ihnen ab, die bäuerliche Geschlossenheit bröckelt. Mit Geschütz und Reitern fallen die Adligen über die flüchtenden Bauern her - von zehn Uhr morgens bis zum Nachmittag.
Über zehn Kilometer ging die Verfolgung, zweitausend bis dreitausend Aufständische werden erschlagen, fast ohne Gegenwehr. Die Anführer Matern Feuerbacher und Hans Wunderer entkommen. Feuerbacher wird 1526 in Rottweil gefangen und nach langwierigen Prozeß freigesprochen, Wunderer geht in den Dienst des Hessischen Landgrafen. Nur von Ratgeb wissen wir nichts.
Später wird bekannt, das auch er einen langen Prozeß durchstehen mußte und nach schlimmster Folter 1526 in Pforzheim gevierteilt wurde.
Erst in einem Register aus dem Jahr 1611 fand sich eine Eintragung über die Urgicht eines Jörgen Schürtz, genannt Rathgeb, Malers zu Stuttgarten. Alle anderen Unterlagen wurden offenbar vernichtet. Aus restlichen Akten paralleler Vorgänge kann man nur noch schließen, das die nachgewiesene Hinrichtung Ratgebs vermutlich bis Ende Oktober (?) des Jahres 1526 stattgefunden haben muß.



Vermutungen über verschollene Werke des Jörg Ratgeb

Hier sei nur die Rede von zwei Arbeiten, denn es gibt sehr verschiedene Aussagen und Vermutungen über verschollene Werke dieses Künstlers, dessen Bestrafung für seine Teilnahme am Aufstand der Bauern noch über die grausame Hinrichtung hinausging. Alle seine Kunstwerke sollten vernichtet, sein Name ausgelöscht sein für alle Zeiten. Der Totalverlust an Zeichnungen und Entwürfen, den wir heute konstatieren müssen, läßt den Eindruck entstehen, das die primitiven Schergen Erfolge vermelden konnten. Von Ratgebs Zeichnungen, vornehmlich auf rötlich getönten Papier mit brauner Tinte aufgetragen, sind uns nur drei erhalten. Sie befinden sich Kupferstichkabinett in Dresden. Und sie betreffen Altar-Entwürfe, die Themen des Neuen Testaments aufgreifen.

Es entsteht durchaus die Frage, warum sich die Vernichtungsaktionen so auf Ratgeb konzentrierten. Wir können nicht wissen, welche uns heute völlig unbekannten Künstler noch von der Raserei der Sieger betroffen waren. Auch den Bildersturm der Aufständischen muß man mit berücksichtigen. Wie zu allen Zeiten gab es auch während der frühbürgerlichen Revolution eine Vielzahl unbekannter "kleiner" Künstler, die Dorfkirchen und Hausaltäre schmückten. Aber Ratgeb, zweifellos einer von den Großen, konnte Vorbilder für jene schaffen. Und Ratgeb bevorzugte offenbar Themen des Neuen Testaments - nicht ohne Grund. Nach den Erfahrungen schlimmster Verweltlichung der Kirche beschäftigten sich Künstler gerade deswegen mit den neuen Evangelien um die reinen Ideale des Menschseins zeigen zu können. Besonders im Neuen Testament bekundet sich ja das eigentlich (und tatsächlich) Revolutionäre des Christentums: nicht Habgier soll die Welt regieren sondern Nächstenliebe. Nicht Reichtum ist das Glückseeligmachende sondern die selbstlose Tat. Christus wendet sich den Armen und Verlassenen zu, nicht den von Habgier und Macht Besessenen. Und seinen schweren Weg beginnt er mit einer Minderheit. Da muß er mitten durch einen riesigen tobenden Mob, der in damaliger political correctness den Außergewöhnlichen am Kreuz bluten sehen will. Da ist schon ein Unterschied lesbar und sehr deutlich zwischen dem gekrümmten Schmerzensmann und der johlenden Menge, zwischen der Bescheidenheit der Apostel und den sich viehisch gebärdenden Soldaten, zwischen pompöser Fürstlichkeit und duldsam ertragener Marter. Aber auch bei einem christlichen Maler wie Ratgeb wird mit den Jahren seines Schaffens der Ausdruck seines Christus zunehmend bitterer. Das mögen die Bauern wohl am allerbesten verstanden haben!


Das Martyrium der heiligen Lucia von Syrakus  von Jörg Ratgeb 1510


Das Martyrium der heiligen Lucia von Syrakus (*)

Diese uns aus dem Jahre 1510 erhaltene Zeichnung stellt den sehr ausführlichen Entwurf für ein Altarbild dar. Es gibt Kunsthistoriker, die sogar von einer Nachzeichnung sprechen. Andere betonen den Entwurfscharakter der Zeichnung, die den ganzen Werdegang der Heiligen darstellt und allen Anforderungen eines Altarbildes genügt. Viel eher sieht es so aus, als betrachten wir eine Vorlage für eine prüfende Instanz, die daraus die Genehmigung für die Altarmalerei zu geben hat. Um eine Bewilligung zu erhalten, müßte man schon sehr ordentlich arbeiten, und das hat Ratgeb hier getan!
Das Verbreitungsgebiet des Kults der ⇒ Lucia-Legende lag zuerst im Westen, ausgehend vom St.-Vincenz-Kloster in Metz, wo Lucia ihre letzte Ruhestätte gefunden haben soll. Es ist also durchaus denkbar, das in diesem weitläufigem Raum sich Werke des Meisters befinden. Es könnten sogar zwei Altäre des Ratgeb sein, die das Lucia-Thema behandeln.
(*) Hinweis: Es ist auch denkbar, das es sich nicht um die Lucia-Legende handelt sondern um eine der vierzehn Nothelfer aus dem zweiten bis vierten Jahrhundert: der Heiligen Katharina. (Siehe unten). Dann kämen als mögliches Verbreitungsgebiet die Schweiz, Österreich, aber auch Lettland und Polen hinzu.



Existieren Holzschnitte der Frankfurter Wandmalereien ?

Die Wandbilder im Karmeliterkloster entstanden zwischen 1514 und 1517. Das Schaffen von Formaten dieser Größe (etwa 600 m2) setzt vermutlich Entwurfszeichnungen voraus. Diese Zeichnungen sind offenbar vernichtet worden, vielleicht sogar im Zuge der Bestrafung des Malers - es können aber auch völlig andere Umstände gewesen sein, die dazu führten. Solche Zeichnungen hätten Grundlage für einen ganzen Holzschnittzyklus sein können - und sei es ein retrhekrevnetieS !
Die Frage nach einer Holzschnitt-Darstellung ist deswegen relevant, weil sich die Mönche dieser Bruderschaft besonders um Buchdruck und Bücherverbreitung verdient gemacht hatten. Sie mußten ein sehr reales Interesse daran gehabt haben, Episoden aus der Geschichte ihres Ordens in Bilderzählungen unter die Leute zu bringen. Schließlich empfanden sie es als ihre definitive Aufgabe, den Armen die christliche Lehre nahe zubringen und sie waren Meister in Organisation und Technologie der Schwarzen Kunst.
Als subjektiver Faktor könnte zugleich das aktive Wirken des Priors Fleckenböhls angeführt werden, der sich als sachkundiger und tatkräftiger Auftraggeber für die Frankfurter Wandmalereien erwies. Seiner Unterstützung für einen Holzschnittzyklus hätte sich Ratgeb oder auch ein anderer Künstler gewiß sein können. Für diese Tatkraft gilt jedoch auch eine Umkehrung: mit gleicher Aktivität hätte dieser Kirchenmann nach der Verurteilung des Malers eine Vernichtung aller Unterlagen und Druckstöcke betreiben können um sein Kloster zu schützen und seinen "guten Ruf" zu wahren. Dennoch, die Wandbilder waren ohnehin nicht jedem zugänglich und blieben in den Klostergängen abgeschlossen vor zudringlichen Blicken. Und vielleicht haben sich einige gedruckte Blätter in den Weiten und Zeiten verirrt...


Verlobung Mariae  um 1519 Jerg Ratgeb

Werke des Jörg Ratgeb

1504 Hausaltar der Stalberg mit Bildnissen von Claus Stalberg und Margareta von Rein (?)

1500...1510 "Rotterdamer Abendmahl" und "Berliner Passahmahl"

1510 "Barbara-Altar" in der Stadtkirche zu Schwaigern

1510 "Jesu Abschied von seiner Mutter" (?)

1511 Gemälde in den Schloßgemächern des Herzog Ulrichs (?)

1513 Wandgemälde im Refektorium zu Hirschhorn

1514 Frankfurter "Anbetung der Könige" als Auftragsarbeit für Claus Stalberg

1514 bis 1517 Ratgeb arbeitet im Frankfurter Carmeliterkloster

1518 bis 1519 "Herrenberger Altar"



Drei Zeichnungen des Jörg Ratgeb

Martyrium der heiligen Lucia von Syrakus (um 1510)

Geburt Christi

Die Sippe Christi den Neugeborenen verehrend


Namensverzeichnis
Jörg Ratgeb verschiedene Namen-Varianten:    Jörg Rathgeb, Jerg Ratgeb, Jorg ratgeb, Jörg Rathgeben, Georg Ratgeb, Jörgen Schürtz, Georg Schwed
Ulrich von Württemberg Eitel Heinrich (1487-1550), zwischen 1498 und 1550 Herzog von Württemberg.
Nach Maximilians Tod 1519 gab Ulrichs Überfall auf die Reichsstadt Reutlingen den Anstoß zu seiner Vertreibung durch den Bayern Georg Truchsess von Waldburg-Zeil im Auftrag des Schwäbischen Bundes. Ulrich wurde verbannt und Württemberg wurde durch den neuen Kaiser Karl V. dem Haus Habsburg unterstellt.
Ulrich unternahm mehrere erfolglose Versuche, das Land zurückzugewinnen, am weitreichendsten 1525 im Zuge des Bauernkriegs, wo er mit Hegauer Bauern und Schweizer Söldnern bis vor Stuttgart ziehen konnte, aber wieder vertrieben wurde.
Claus Stalberg Patrizier der Stadt Frankfurt a.M. Sein Name ist als Stifter an der Wandmalerei des dortigen ⇒ Carmeliterkloster zu lesen. Das Gemälde an der Südwand des Kreuzganges Anbetung der Könige stammt von Jerg Ratgeb.
Margarete von Rein Frau des Claus Stalberg. Als Stifter im Carmeliterkloster Frankfurt a.M. mit der Bildunterschrift Claus Stalberg, Margaretha v. Rein sein Husfruw 1515 von Ratgeb erwähnt.
Rebmann Probst in Herrenberg, Auftraggeber für den Herrenberger Altar, 1517 gest., Nachfolger wurde Benedikt Farner.
Benedikt Farner Probst in Herrenberg, der Ratgeb die Arbeit für den Herrenberger Altar fortsetzen läßt und 1519 den Rat und das Gericht von Herrenberg sowie schwäbische Maler zur Besichtigung des Werkes einlädt.
Hans Wunderer Baumeister aus Pfaffenhofen (bei Brackenheim), Anführer des Zabergäuhaufens, vereinte sich mit der Schar des Matern Feuerbacher.Konnte nach der Schlacht bei Herrenberg u. Böblingen fliehen, trat später in die Dienste des Landgrafs Phillipp von Hessen. (NVA 9 S.218)
Anton Eisenhut Anführer der Kraichgauer Bauern,ehem.Pfaffe, radikaler Eiferer. Seinem Haufen fielen Schlösser und Klöster zum Opfer.(NVA 9 S.218)
Theis Gerber eigentlich: Matthias Angerer, Hauptmann des Stuttgarter Truppenkontigents, das zur Unterstützung der Bauern gestellt wurde. Hatte für achtzig Gefallene in der Schlacht von Sindelfingen Rechtfertigung abzulegen, entzog sich dem drohenden Kriegsgericht des Schwäbischen Bundes duch Flucht. Gerbermeister. Strengte einen Prozeß gegen Stuttgarter Bürger an, der erst 1541 vor dem Rottweiler Reichsgerichtshof verhandelt wurde. Zuverlässiger Trabant des Herzog Ulrich.
Hanns Gyer genannt Ziegler, alter Winzer, sagt als Zeuge im Prozeß von 1541 aus, das er wisse, das Jorg ratgeb gefiertaylt sy wordenn... aber warum wisse er nicht.
Jörg Sauernagel Weingärtner, früherer Nachbar des Jörg Ratgeb. Zeuge im Prozeß von 1541. Sagt aus, das er Ratgeb lange als Nachbar hatte, der friedlich und gut zu den Leuten war und kein Huhn erschrecken konnte. Warum der gevierteilt wurde, weiß Gott allein.
Hamann von Fleckenböhl Prior, Auftraggeber der Frankfurter Wandgemälde.

weiterführende Links

Information und Kommunikation in Geschichte und Gegenwart von ⇒ Dr.Margarete Rehm

Devotio moderna - Zur Einordnung einer spätmittelalterlichen Reformbewegung von ⇒ Prof.Dr. Rainer Dringenberg

Die Heilige Lucia ⇒ Ökumenisches Heiligenlexikon Lucia von Syrakus

Die Heilige Katharina ⇒ Ökumenisches Heiligenlexikon Katharina von Alexandria

Staatliche Kunstsammlung Dresden wird die Zeichnung Ratgebs unter dem Titel Die Enthauptung der hl. Katharina geführt.
In der europeana unter dem Titel ⇒ Enthauptung der hl. Katharina
zwei Dokumente aus dieser Zeit
Brief Ratgebs an Stalberg vom 3.10.1518 Aufgebot der Bauernobersten an den württembergischen Adel
Brief Ratgebs an Stalberg vom 3.10.1518 Aufgebot der Bauernobersten an den württembergischen Adel

Bild Bilderverzeichnis Quellen
Bild oben rechts Ausschnitt aus: Der Herrenber Altar 1519
linker Innenflügel: Verlobung Mariae
(5) Siehe → Literaturverzeichnis zu Ratgeb
HL Bearbeitung
Bild mitte links Der Herrenber Altar 1519 http://www.bauernkriege.de/herrenberger.JPG Bildausschnitt
Quelle für die Bearbeitung:
wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Jerg_Ratgeb_001.jpg
Bild mitte rechts Isenheimer Altar des Grünewald Bild aus www.bauernkriege.de
Karte links Militärische Auseinandersetzungen bei Herrenberg und Böblingen 9.-12.Mai 1525 Kartenmaterial zum Deutschen Bauernkrieg
http://www.bauernkriege.de/bkarten.html
Zeichnung links Das Martyrium der heiligen Lucia von Syrakus
In der Staatlichen Kunstsammlung Dresden ist im ⇒ europeana eu portal diese Zeichnung auch als (*) Enthauptung der Heiligen Katharina aufgeführt.
Bild aus www.bauernkriege.de
Bild links Verlobung Mariae
Bildausschnitt aus dem Herrenberger Altar
Bild aus www.bauernkriege.de
Dokument links Brief Ratgebs an Stalberg vom 3.10.1518 (6) Siehe → Literaturverzeichnis zu Ratgeb
(Abb.Nr. 112)
Dokument rechts Aufgebot der Bauernobersten an den württembergischen Adel (6) Siehe → Literaturverzeichnis zu Ratgeb
(Abb.Nr. 173)


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Notizen Künstler der Bauernkriegszeit  Ι  Dipl.Ing. Hans Holger Lorenz  Ι  beg. 27.Juli 2009 - letzte Änderung: 18.09.2020  Ι (X) - To/WB